Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
einladen, das Gemälde zu betrachten.
Wieder sprach Eulenspiegel: „Edle Herren, eins will ich Euch sagen: Wer nicht von Herzen ehrlich ist, kann mein Gemälde nicht sehen. Das ist das Besondere meiner Kunst.“
Darauf schlug er das Tuch zurück und wies mit dem weißen Stäbchen auf die Wand.
„Sehet den ersten Landgrafen von Hessen mit seiner Gemahlin, der Herzogin von Bayern und Tochter des milden Justinian! Seht dort den Vater des Adolfus! Seht Wilhelm den Schwarzen, den Sohn des Adolfus, und Ludwig den Frommen, den Sohn des Wilhelmus! Seht weiter die große fürstliche Familie bis auf unsere Gnaden, den Landgrafen! Ist es nicht eine vortreffliche Arbeit, so meisterlich und schön in den Farben, daß niemand sie zu tadeln vermag?“
Die Ritter sahen nichts als die glatte Wand. Aber sie wollten ihre Lehensgüter nicht verlieren. Darum lobten sie des Meisters Kunst und schwiegen über das, was ihre Augen erblickten.
Ei, dachte der Landgraf, sollten die Herren genauso ehrlich sein wie ich?
Am anderen Morgen ließ er das Gesinde in den Saal rufen. Da kamen sie alle: der Koch und die Küchenjungen, der Stallmeister und die Roßbuben und der Kellermeister, selbst der Schweinehirt fehlte nicht. Und als der Landgraf ihnen gebot, das Gemälde des Meisters zu betrachten, da schaute einer fragend zum
andern, bis der erste zu kichern begann. Darauf lachten sie alle im Chor, daß es schallte, und wollten gar nicht wieder aufhören. Denn sie sahen nichts als die glatte Wand und glaubten, der Herr habe den Verstand verloren.
Ehe der Landgraf aber erkannte, daß er angeführt worden war, hatte Eulenspiegel seine Gesellen fortgeschickt und war auf und davon gegangen.
Der schlaue Peter wird Bürgermeister
Ein Schwank aus Bulgarien
Die Bauern des Dorfes, in dem der schlaue Peter wohnte, versammelten sich einmal auf dem Dorfplatz, um den Bürgermeister zu wählen. Auch der schlaue Peter kam herbei. Er hatte seinen neuen Kalpak aufgesetzt, denn er wußte, daß manche Leute einen nach dem Kalpak und nicht nach dem Kopf beurteilen. Und da kam auch der Dorftschorbadshija mit seinem dicken Bauch, einer langen Pfeife und der Perlenschnur.
„Heda, Peter, der Kalpak, den du aufhast, der könnte ja einem Tschorbadshija gehören! Gib doch mal her, daß ich ihn mal ansehen kann!“
Der schlaue Peter reichte ihm seinen Kalpak hin. Der Tschorbadshija nahm ihn, und um die Bauern zum Lachen zu bringen, warf er ihn auf die Erde. „Wollen mal sehen, ob er donnert!“
Der schlaue Peter bückte sich, hob seinen Kalpak von der Erde auf, klopfte ihn aus und sprach: „Hört, ihr Bauern, ich werde euch ein Märchen erzählen!“
Die Bauern wußten, daß er witzig zu erzählen verstand, und drängten sich um ihn. Der schlaue Peter begann: „Ihr habt sicher von dem alten jüdischen König Salomo gehört. Man sagt, daß er die Vergangenheit der Menschen kannte und in die Zukunft zu schauen vermochte. Er verstand auch die Sprache selbst der kleinsten Lebewesen. Dieser Salomo lud einmal alle Tiere in seinen Garten ein: Löwen, Bären, Wölfe, Hasen, Rehe, Büffel, Pferde und Esel. Ihr werdet fragen, warum er das denn tat. Nun, er verstand doch ihre Sprachen, und da wollte er ihnen zuhören und ein bißchen lachen, denn sie erzählten einander sehr lustige Dinge. Des Königs Garten füllte sich. Ganz zuletzt kam auch der Esel. Als er so viele Tiere auf einem Platz versammelt sah, spitzte er seine Ohren, pflanzte sich vor Salomo auf und begann zu schreien, was seine Stimme hergab. Alle Tiere sahen sich an, und Salomo hielt sich die Ohren zu. Als der Esel endlich schwieg, trat der Löwe zu ihm heran und sprach: ,Sag mal, was ist denn mit dir los?‘
,Ich schreie', erwiderte der Esel.
,Ja, aber warum denn?“
Da erwiderte der Esel: ,Na, wenn ich nicht vor so einer großen Versammlung meine Eseleien zum besten gebe, wo soll ich’s dann tun? '
Das ist das Märchen“, schloß der schlaue Peter. „Habt ihr es verstanden?“
„Sehr gut haben wir es verstanden!“ Die Bauern prusteten und lachten.
Der Dorftschorbadshija schlich beiseite und machte, daß er wegkam. Und die Bauern wählten den schlauen Peter zum Bürgermeister.
Angel Karalijtscbew
Der Teufel und das Barthaar
Ein Märchen aus Schweden
Es war einmal ein Bauer, der hatte zeitlebens darüber nachgedacht, wie er wohl reich werden und auch reich bleiben könne bis an das Ende seiner Tage.
Nun brachte es der Zufall mit sich, daß er dem Teufel begegnete. Sie kamen
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