Maerchen Fuer Kinder
und das thaten sie. Die Straßenbuben sangen: »Ziziiz! Kluckkluckkluck!« und der Kaiser sang es! Ja, das war gewiß prächtig!
Aber eines Abends, als der Kunstvogel am besten sang und der Kaiser im Bette lag und darauf hörte, sagte es »Schwupp« inwendig im Vogel; da sprang etwas »Schnurrrr!« Alle Räder liefen herum, und dann stand die Musik still.
Der Kaiser sprang gleich aus dem Bette und ließ seinen Leibarzt rufen, aber was konnte der helfen! Dann ließen sie den Uhrmacher holen, und nach vielem Sprechen und Nachsehen brachte er den Vogel etwas in Ordnung, aber er sagte, daß er sehr geschont werden müsse, denn die Zapfen seien abgenutzt, und es sei unmöglich, neue so einzusetzen, daß die Musik sicher gehe. Das war nun eine große Trauer! Nur einmal des Jahres durfte man den Kunstvogel singen lassen, und das war fast schon zu viel; aber dann hielt der Spielmeister eine kleine Rede mit den schweren Worten und sagte, daß es ebenso gut als früher sei, und dann war es ebenso gut als früher.
Nun waren fünf Jahre vergangen, und das ganze Land bekam eine wirkliche, große Trauer. Die Chinesen hielten im Grunde allesamt große Stücke auf ihren Kaiser, und jetzt war er krank und konnte nicht länger leben. Schon war ein neuer Kaiser gewählt, und das Volk stand draußen auf der Straße und fragte den Haushofmeister, wie es ihrem alten Kaiser gehe.
»P!« sagte er und schüttelte mit dem Kopfe.
Kalt und bleich lag der Kaiser in seinem großen, prächtigen Bette, der ganze Hof glaubte ihn tot, und ein jeder lief, den neuen Kaiser zu begrüßen, die Kammerdiener liefen hinaus, um darüber zu sprechen, und die Kammermädchen hatten große Kaffeegesellschaft. Ringsumher in allen Sälen und Gängen war Tuch gelegt, damit man niemand gehen höre, und deshalb war es da still. Aber der Kaiser war noch nicht tot; steif und bleich lag er in dem prächtigen Bette mit den langen Sammetvorhängen und den schweren Goldquasten, hoch oben stand ein Fenster auf, und der Mond schien herein auf den Kaiser und den Kunstvogel.
Der arme Kaiser konnte kaum atmen, es war gerade, als ob etwas auf seiner Brust säße; er schlug die Augen auf und da sah er, daß es der Tod war, der auf seiner Brust saß und sich seine goldene Krone aufgesetzt hatte und in der einen Hand des Kaisers goldenen Säbel, in der andern seine prächtige Fahne hielt; ringsumher aus den Falten der großen Sammetbettvorhänge sahen wunderliche Köpfe hervor, einige ganz häßlich, andere lieblich und mild; das waren des Kaisers gute und böse Thaten, welche ihn anblickten, jetzt, da der Tod ihm auf dem Herzen saß.
»Entsinnst Du Dich dieses?« Und dann erzählten sie ihm soviel, daß ihm der Schweiß von der Stirne rann.
»Das habe ich nie gewußt!« sagte der Kaiser. »Musik, Musik, die große chinesische Trommel,« rief er, »damit ich nicht alles zu hören brauche, was sie sagen!«
Aber sie fuhren fort, und der Tod nickte wie ein Chinese zu allem, was gesagt wurde.
»Musik, Musik!« schrie der Kaiser. »Du kleiner, herrlicher Goldvogel, singe doch, singe! Ich habe Dir Gold und Kostbarkeiten gegeben, ich habe Dir selbst meinen goldenen Pantoffel um den Hals gehängt, singe doch, singe!«
Aber der Vogel stand still, es war niemand da, um ihn aufzuziehen, sonst sang er nicht, und der Tod fuhr fort, den Kaiser mit seinen großen, leeren Augenhöhlen anzustarren, und es war still, erschrecklich still.
Da klang auf einmal vom Fenster her der herrlichste Gesang. Es war die kleine, lebendige Nachtigall, welche auf einem Zweige draußen saß; sie hatte von der Not ihres Kaisers gehört und war deshalb gekommen, ihm Trost und Hoffnung zu singen; und sowie sie sang, wurden die Gespenster bleicher und bleicher, das Blut kam immer rascher und rascher in des Kaisers schwachen Gliedern in Bewegung, und selbst der Tod horchte und sagte: »Fahre fort, kleine Nachtigall! Fahre fort!«
»Ja, willst Du mir den prächtigen, goldenen Säbel geben? Willst Du mir die reiche Fahne geben? Willst Du mir des Kaisers Krone geben?«
Der Tod gab jedes Kleinod für einen Gesang, und die Nachtigall fuhr fort zu singen, sie sang von dem stillen Gottesacker, wo die weißen Rosen wachsen, wo der Flieder duftet und wo das frische Gras von den Thränen der Überlebenden befeuchtet wird. Da bekam der Tod Sehnsucht nach seinem Garten und schwebte wie ein kalter, weißer Nebel aus dem Fenster.
»Dank, Dank!« sagte der Kaiser, »Du himmlischer, kleiner Vogel, ich kenne Dich wohl!
Weitere Kostenlose Bücher