Märchen unter dem Wüsenhimmel
furchtbar.“
Fatima seufzte. „Du musst Geduld haben“, sagte sie schließlich. „Er wird schon zu dir finden.“
Wenn es doch nur so einfach wäre, dachte Heather traurig und niedergeschlagen.
Heather kuschelte sich auf das Bett und wartete darauf, dass sich ihr Magen wieder beruhigte. Soeben hatte sie sich übergeben, zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Sie wünschte von ganzem Herzen, es der nervlichen Belastung zuschreiben zu können, doch sie ahnte, dass sie schwanger war.
Erst am Vortag hatte Jamal sie gedrängt, eine Schwangerschaft in Erwägung zu ziehen. Es sah ganz so aus, als ob es dafür zu spät war. Ob sie bereit war oder nicht, sie bekam ein Baby.
Sie drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Nach der Unterredung mit Fatima hatte sie sich in dieses Zimmer eingeschlossen und es nicht einmal zu den Mahlzeiten verlassen. Von Rihana waren ihr in regelmäßigen Abständen Mahlzeiten gebracht worden, und um des Babys willen hatte sie sich gezwungen zu essen. Jamal hatte mehrmals angeklopft, aber sie hatte sich geweigert, mit ihm zu sprechen.
Was sollte sie nun tun? Irgendwie musste sie sich damit abfinden, dass sie sich in eine demütigende Lage gebracht hatte. Sie musste einen Weg finden, ihre Ehe zu retten, um des Babys wie um ihrer selbst willen. Denn trotz allem liebte sie Jamal.
Sie stützte sich auf einen Ellbogen, als es an der Tür klopfte. „Wer ist da?“
„Malik.“
Überrascht stand sie auf und ließ ihn herein. „Was willst du denn hier?“ Sie konnte es kaum fassen, dass der Kronprinzin ihrem Schlafzimmer stand. Er maß nur wenige Zentimeter mehr als Jamal, wirkte aber wesentlich größer. Vielleicht lag es an seinen Verantwortlichkeiten und Pflichten. Insgeheim dankte sie dem Himmel, dass der König nicht von ihr verlangt hatte, Malik zu heiraten. Sie hegte keinerlei Wunsch, Königin zu wer den.
„Ich wollte mit dir reden.“ Verlegen trat er von einem Fuß auf den anderen. „Was immer Jamal auch getan haben mag, es war nicht seine Schuld.“
Heather setzte sich im Schneidersitz auf das Bett und deutete zum Stuhl beim Fenster, doch Malik schüttelte den Kopf. „Typisch Mann“, begann sie, „sich auf die Seite eines anderen Mannes zu stellen, ohne die Tatsachen zu kennen.“
„Jamal ist ein guter Mensch. Das weißt du ebenso gut wie ich.“ Er zögerte. „Ich habe eine Frage. Es kommt dir vielleicht seltsam vor, aber antworte bitte. Ich glaube, es könnte wichtig sein.“
„In Ordnung.“
„An deinem ersten Abend hier in El Bahar hast du doch mit der ganzen Familie diniert. Nachher ist Jamal mit dir in den Garten gegangen. Hat er dich da geküsst?“
Sie brauchte nicht an jenen Abend erinnert zu werden. Sie hatte panische Angst davor gehegt, in eine unliebsame Ehe gezwungen zu werden – bis Jamal sie geküsst hatte. Es war ihr erster Kuss gewesen, und sie hatte die Erfahrung genossen. Trotz ihres Kummers lächelte sie. „Ja, das hat er getan.“
Malik fluchte leise. „Ich wusste es. Aber er hat kein Wort gesagt.“
„Warum sollte er denn auch?“
„Weil wir gewettet hatten, das er dir nicht mal ein Lächeln, geschweige denn einen Kuss entlocken könnte. Es stand viel auf dem Spiel. Hätte er gewonnen, hätte ich ihm eine Woche lang mein Auto überlassen müssen. Aber am nächsten Morgenhat er geschworen, dass nichts passiert sei. Demzufolge hatte ich gewonnen, und ich durfte sechs meiner Stuten von seinem preisgekrönten Hengst decken lassen.“
Heather runzelte die Stirn. „Er hat geleugnet, mich geküsst zu ha ben?“
„Allerdings.“ Maliks blickte höchst zufrieden drein.
„Sollte ich etwa glücklich darüber sein, dass mein Mann sich geschämt hat einzugestehen, mich geküsst zu haben?“
„Nein. Du verstehst das falsch. Dass er nicht darüber reden wollte, bedeutet, dass der Kuss wichtig war. Männer reden nicht über Beziehungen, die ihnen wichtig sind. Wenn ein Mann jedem erzählt, dass er mit einer Frau intim geworden ist, dann ist es nichts weiter als eine bedeutungslose Affäre. Ich will damit sagen, dass du Jamal damals schon wichtig warst.“
Zweifelnd blickte sie ihn an. „Das ist eine sehr verdrehte Logik.“
„Im Gegenteil. Es erklärt alles.“ Er trat einen Schritt näher zu ihr. „Ich weiß nicht, was zwischen euch beiden vorgefallen ist. Jamal will es mir nicht sagen. Aber er fühlt sich scheußlich deswegen. Ich wollte dich nur wissen lassen, dass du ihm sogar ganz am Anfang etwas bedeutet
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