Märchen unter dem Wüsenhimmel
Haare.“
Malik streckte eine Hand aus und berührte ihre Locken, die ihr bis auf die Schultern reichten. „Es geht nicht um die Haarfarbe. Erzählen Sie mir von Ihrem Exmann. Warum sind Sie geschieden?“
„Weil Chuck einunddreißig ist und sich wie zwölf benimmt.“ Sie seufzte. „Er ist kein schlechter Mensch, aber zu sehr in seinen Träumen gefangen, um ein guter Ehemann oderVater zu sein.“ Liana erlaubte sich ein kleines Lächeln. „Es war sehr amüsant mit ihm in der High School. Er hatte immer das schnellste Auto. Das ist das Wichtigste für ihn im Leben – Autorennen. Er arbeitet, um Geld zu beschaffen für neue Motoren und Reifen und was immer nötig ist, um Autos schneller zu machen, als sicher ist. Als wir heirateten, hatten wir großartige Pläne. Aber dann wurde ich schwanger, bevor wir erwachsen geworden waren.“
„Ihre Tochter scheint sehr klug und wohlerzogen zu sein.“
„Für mich war Bethany ein Segen, aber für Chuck war die Vaterrolle zu beengend. Bei jeder Gelegenheit verschwand er zur Rennbahn. Ich habe ein Kind erzogen, gearbeitet und studiert. Die Belastung war zu groß für mich, sodass die Ehe darunter litt. Chuck kam sehr häufig an letzter Stelle. Ich glaube, wir haben beide in gleichem Maße Schuld.“
„Wie haben Sie das Studium finanziert? Haben Ihre Eltern Ihnen geholfen?“
„Sie haben gelegentlich auf Bethany aufgepasst, aber sie sind im Ruhestand und haben nicht viel Geld. Es hat lange gedauert, aber ich habe es allein geschafft.“
„Das klingt nach einer starken Frau.“
„Ich bin kein Drückeberger. Und ich glaube nicht an Märchen.“
„Ich auch nicht.“
Warum bin ich dann hier? fragte sie sich erneut, doch sie sprach es nicht aus. Sie war noch nicht bereit, diesen zauberhaften Augenblick an der Seite eines hübschen Prinzen völlig zu zerstören. Hätte es sich um einen Hollywoodfilm gehandelt, hätte er sie in die Arme geschlossen und geküsst – oder im Falle eines Erotikfilms wesentlich mehr getan …
Unwillkürlich erzitterte sie bei der Vorstellung, ihm so nahe zu sein. Die Chemie war offensichtlich wesentlich mächtiger, als sie bisher geahnt hatte. Sie war nie eine flüchtige Affäre eingegangen,hatte nur mit Chuck geschlafen, doch etwas an Malik erweckte den Drang, die Vorsicht in den Wind zu schlagen und … „Heather hat mir erzählt, dass Sie nicht verheiratet sind“, sprudelte sie unbedacht hervor.
„Das stimmt.“
„Also sind Sie der immer währende Junggeselle, der seinen königlichen Charme einsetzt, um Frauen zu verführen?“
Unvermittelt stand er auf. „Danke für Ihre Gesellschaft, Liana. Ich habe es sehr genossen, mit Ihnen zu reden.“ Und dann war er verschwunden.
Mit offenem Mund und großen Augen starrte Liana ihm nach. Hatte sie ihn beleidigt?
„Die Reichen sind wirklich anders“, murrte sie, während sie sich in ihre Suite begab. „Und verwirrend. Je eher wir hier verschwinden, umso besser.“
Carl Birmingham, der Rektor der Amerikanischen Schule, gab sich untadelig höflich und mitfühlend, aber keineswegs hilfreich.
„Mir scheint, dass alles einfacher wäre, wenn Sie einfach die Einladung des Kronprinzen akzeptierten. Wäre es denn so furchtbar, seinem Wunsch zu genügen und weiterhin sein Gast zu bleiben?“ Der stattliche Mann Mitte fünfzig beugte sich zu Liana vor und lächelte. „Ist Ihnen die große Ehre bewusst? Sie sind als amerikanische Lehrerin eingeladen worden, in einem der großartigsten Paläste der Welt zu residieren. Sie haben die Gelegenheit, sich mit der Königsfamilie anzufreunden.“
Sie fragte sich, warum sie Verständnis erwartet hatte. Offensichtlich hielt nur sie selbst die Situation für merkwürdig.
„Ich weiß die Ehre durchaus zu schätzen. Ich habe jedoch nie darum gebeten, im Palast zu wohnen. Alles, was ich mir für meine Tochter und mich selbst wünsche, ist die Unterkunft, die mir in meinem Vertrag zugesagt wurde. Eine Zweizimmerwohnungfür uns beide allein.“
Mr. Birmingham ordnete die Papiere auf seinem Schreibtisch und blickte sie dann an. „Wenn Sie fürchten, dass Sie und Ihre Tochter in Gefahr sind, dann muss die Situation natürlich umgehend korrigiert werden. Mir war nicht bewusst, dass Sie sich bedroht fühlen.“
Sie seufzte. „Darum geht es nicht. Ich befürchte nicht, angefallen zu werden. Es ist nur …“ Wie sollte sie das Gefühl erklären, von einer Übermacht überrollt zu werden? Malik Khan war es gewohnt, seinen Kopf durchzusetzen. Obwohl seine
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