Märchen unter dem Wüsenhimmel
Aufmerksamkeit ihr schmeichelte, wirkte sie auch bedrohlich. Ihre Zuneigung zu ihm machte sie verletzlich.
„Mrs. Archer, die Amerikanische Schule existiert auf Grund der Unterstützung der Königsfamilie“, erklärte Mr. Birmingham. „Prinz Malik ist Vorstandsmitglied. Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass unsere Politik geändert wurde, sodass Lehrer auf Grund ihrer Fähigkeiten statt ihres Geschlechts oder ihres Familienstandes eingestellt werden. Vor nicht allzu vielen Jahren hätte eine ledige Frau keine Chance gehabt, angestellt zu werden.“
„Inwiefern sollte das wichtig sein? Ich bin gut in meinem Beruf, ob mit oder ohne Ehemann.“
„Da stimme ich zu. Aber wir sind Amerikaner. Das Leben hier in El Bahar ist anders. Das Land ist zwar fortschrittlich, aber dennoch fremdartig, mit anderen Gesetzen und einer anderen Kultur.“
„Sie meinen also, dass ich im Palast wohnen sollte.“
„Mrs. Archer, ich würde mir nie anmaßen, Ihnen vorzuschreiben, was Sie zu tun haben. Wir reden jedoch über den Kronprinzen. Er ist eine mächtige Persönlichkeit, während Sie einfach eine Lehrerin sind.“
Liana lehnte sich auf ihren Stuhl zurück und unterdrückte ein Stöhnen. Im Grunde genommen war sie gefangen.Ihr großzügiger Vertrag enthielt eine Klausel, die der Schule gestattete, sie aus beinahe jedem Grund zu entlassen. Dafür musste ihr der Rückflug und drei Monate Gehalt bezahlt werden, sodass sie sich eine neue Stelle in Kalifornien suchen konnte, ohne hungern zu müssen. Aber es ermöglichte ihr nicht, für Bethanys Ausbildung oder die Anzahlung eines Hauses zu sparen.
„Betrachten Sie es einmal auf diese Weise“, sagte Mr. Birmingham mit einem Lächeln. „Prinz Malik hat seit Jahren kein Interesse an einer Frau gezeigt. Nicht seit …“ Seine Stimme verklang.
„Nicht seit wann?“
Verlegen rutschte er auf seinem Stuhl umher. „Nun, nicht seit dem unseligen Vorfall mit seiner Frau.“
„Seiner Frau? Aber Prinzessin Heather hat gesagt, dass er nicht verheiratet ist.“
„Das ist er auch nicht. Er war es, aber Prinzessin Iman weilt nicht länger unter uns.“
Liana spielte mit dem Gedanken zu fragen, woran die Frau gestorben war, doch eigentlich ging es sie nichts an und war ihr auch egal. „Sie wollen also, dass ich im Palast bleibe“, sagte sie tonlos.
Mr. Birmingham zuckte die Achseln. „Es steht Ihnen frei, in die Wohnung zu ziehen. Sie wird Ihnen weiterhin zur Verfügung gestellt. Ich kann Ihnen nicht vorschreiben, was Sie tun sollen, Mrs. Archer. Es ist Ihre Entscheidung.“
Liana nickte. „Vielen Dank, Mr. Birmingham. Ich werde Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.“ Damit stand sie auf und verließ den Raum.
Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, stieß sie einen leisen Fluch aus. Sie war gefangen. Wenn sie zu viel Theater über ihre Unterbringung machte, drohte ihr die Entlassung, noch bevor sie die Stellung überhaupt angetreten hatte.Malik blickte aus dem Fenster seines Büros und sagte sich dabei, dass er nur nach dem Wetter sah und nicht nach Lianas Rückkehr von ihrem ersten Arbeitstag Ausschau hielt.
Er wusste bereits, dass sie mit dem Rektor über ihre Unterbringung gesprochen hatte. Denn Carl Birmingham hatte ihn angerufen, ihm die Einzelheiten der Unterredung mitgeteilt und versichert, dass er Mrs. Archer auf die große Ehre hingewiesen hatte.
Malik hätte wesentlich mehr Respekt für Kritik an seinem Verhalten aufgebracht. Wer war er schließlich, diese Frau im Palast festzuhalten? Selbst als Kronprinz war es ihm in diesen modernen Zeiten nicht gestattet, eine amerikanische Bürgerin zu kidnappen. Er spielte ein gefährliches Spiel und musste Liana wieder gehen lassen.
Aber noch nicht, sagte er sich. Vielleicht morgen oder Ende der Woche. Vorläufig wollte er sie in seiner Nähe wissen. Sein Verlangen nach ihr war überwältigend. Kein Wunder, denn er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal mit einer Frau verkehrt hatte. Als Kronprinz wurden an ihn höhere Maßstäbe als an jeden anderen Mann gestellt. Affären waren ihm verboten, denn er durfte sich oder sein Land nicht der Gefahr aussetzen, in die Schlagzeilen der Boulevardpresse zu geraten.
Er sehnte sich nicht nur nach körperlicher Liebe, sondern beneidete seine Brüder und deren Frauen besonders wegen der emotionellen Intimität, die ihm versagt blieb.
Daher hatte er Liana hergebracht. Auf den ersten Blick hatte er sich ihr auf seltsame Weise verbunden gefühlt. Er
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