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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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sie.
    Wieder zischte es: »Herr Klinger ist nicht zu sprechen«, und irgend etwas funkelte.
    Aber da hörte sie die energische Stimme ihres Liebsten: »Natürlich bin ich zu sprechen. Weg von der Tür, Donna. Geh, gehorche!«
    Und schon lag sie an seinem Herzen.
    Klinger war, als stünde er von Kopf bis Fuß in Flammen. Vor Schmerzen fast ohnmächtig, umschlang er um so fester sein ganz durchnäßtes Kleinod, und sie schmiegte sich in den Schutz seiner Arme, als wüßte sie, daß es auf lange Zeit das letzte Mal sein würde, und barg ihr Gesicht zufrieden an seinem Hals, nicht ahnend, welche Qualen sie heraufbeschwor.
    Im Arbeitszimmer begann jemand laut und schnell Rachmaninow zu üben.
    Der Sänger verzog das Gesicht und öffnete, ohne Leontine loszulassen, eine Tür, durch die er das Mädchen zog. »So«, sagte er aufatmend, »hier hören wir das nicht.«
    »Wer spielt da?« fragte Leontine.
    »Ein Gast.«
    »Und was für ein Drache war das hinter der Tür?«
    Klinger lachte gequält. »Du ahnungsvoller Engel! Meine neue Putzfrau. Sie ist ein bißchen mißtrauisch. Aber was reden wir? Du bist ganz naß, mein Kind. Warte, daß ich dich trockne.« Und er verschwand.
    Leontine war in diesem Raum des spielerisch verbauten Hauses noch nie gewesen. Es war nicht auszumachen, welchem Zweck er diente. Aus jeder der vier Ecken wuchs ein armdicker Efeustock hervor, der fast ein Baum zu nennen war und dessen Schwarz mit dem silbrigen Ton der Seidentapete wunderschön kontrastierte.
    Das weitverzweigte grüne Gerank stieg auf bis zur Decke, in deren Mitte sich ein kreisrundes Loch befand, durch das zu ihrem Staunen trotz des Regenwetters ein Streifen heller Himmel sah. Kein Tropfen fiel von dort auf den Fußboden, der hier im Gegensatz zum Rasen in vielen Räumen aus buntgemusterten Hölzern bestand, über die gleich einem Teppich ineinander verwobene Moose unterschiedlichster Art gebreitet waren. In den haarfeinen Gräsern hingen glitzernde Spinnweben.
    Indessen kam Klinger zurück, bleich bis in die Lippen, aber lächelnd, beladen mit flauschigen Tüchern in den Farben des Herbstes. Behutsam begann er des Mädchens Haar, Gesicht und Hals zu trocknen, schlang ihr das wärmende Laken um den Leib, stand wie erstarrt, die Hand an der Brust, während sie sich arglos weiter trocknete auf den Moosen.
    »Nun, meine süßeste Löwin«, sagte er und setzte sich vorsichtig neben sie, »wären wir geborgen vor schlechtem Wetter. Ach, Kummer, daß wir nicht eintauchen können in den Venusweg, den du schon so wunderbar von selbst eingeschlagen hattest.«
    Das Mädchen verstand ihn nur halb. Sie streckte aus dem Nest der Tücher die Hand mit der Notenschrift: »Sieh, Norman, was ich gefunden habe!« Sie berichtete, daß sie in der Bibliothek auf der Suche nach alten Liedern unversehens auf dies gestoßen sei. »Das Lied, Norman, das du unter der Weide die Stare pfeifen gelehrt hast, ganz und vollständig, mit allen Strophen und mit einer letzten dabei, und als ich die las, wußte ich auf einmal, was die Quelle unseres Glücks sein wird.«
    Klinger nahm das Blatt und sang mit halber Stimme jene letzte Strophe, die das Mädchen meinte, er begann mit komischer Verzweiflung:
    »Was kann ich machen,
    Daß Venus’ Kind 
    Durch euer Lachen 
    Mich so entzündt.
    Ich bin geboren 
    Zur Sterblichkeit 
    Und ganz verloren 
    Bei dieser Zeit.«
    Beim zweiten Teil hatte sich der Klang seiner Stimme gewandelt, er ließ die Noten sinken und warf Leontine einen Blick von unvermuteter Schärfe zu.
    »Ja, Norman«, sagte das Mädchen, und die Röte der Erregung überzog ihr Gesicht. »Irdisch und sterblich liebe ich dich, und irdisch und sterblich soll dich die Liebe machen. Tu die elbischen Spielereien von dir, werde ein Mensch, wie es deine anderen Brüder auch getan haben, und dein Ruhm und dein Glanz werden dir dennoch ungeschmälert bleiben, aber sie sind von meiner Art. Ich mag dich bewundern, ohne zu erschrecken, und kann mich neben dir mit vorhandenem Maß messen, kleiner, als ich bin, aber nicht ausgelöscht von dem fremden Licht, das mir immer unbegreiflich sein wird. Was du aufgibst bei diesen Spielen - mehr kann es ja heute kaum sein -, gewinnst du vielleicht in denen, die wir gemeinsam entdecken.« Sie errötete noch tiefer und sah ihn offen an.
    »Und hinter dieser Bedingung steckt dein Vater, nicht wahr?« fragte er leise.
    Sie sah ihn verwundert an. »Ja«, erwiderte sie, »insofern, als er mir riet, zu prüfen, was ich liebe.«
    Klinger

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