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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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stärker, als ich dachte. Ich wollte nicht hierher, an dies Wasserwerk, diese furchtbare Festung, die er einst baute, die unterirdischen Wasser zu knechten und in die Gewalt der Röhren zu zwingen, jene Wasser, die bei mir frei zu Tal strömen. Hörst du nicht das Ächzen und Stöhnen in der Tiefe? Fort hier! Folge mir! Weißt du denn nicht, daß er, den du Vater nennst, einst große Verbrechen begangen hat? Verlaß ihn!«
    »Du bist nicht bei dir, Norman.«
    »Und du? Nicht bei mir und nicht bei dir, wie ich sehe. Er hält dich in finsterer Gewalt, armes Kind. Sieh, Remmirath, das Siebengestirn, steht schon am Himmel, und da steigt der rote Borgil durch den Dunst empor wie ein Edelstein. Menelvagor, der Streiter des Himmels, erwacht, mit seinem schimmernden Schwertgehänge geschmückt. Auf! Ich liebe dich.«
    »Auch ich liebe dich. Verlaß mich nicht so.«
    Er lachte. »Ich muß, soll ich mich nicht selbst verlieren. Es ist spät.« Er schlang den Mantel um sich, beugte sich zu ihr, seine Lippen streiften ihr Haar. »Ewig und unsterblich dein. Auch du hast Bedenkzeit. Jetzt aber ade.«
    Das Gesträuch rauschte, er war fort.
    Als Leontine zu Hause ankam, glühte sie vor Fieber. Noch ehe die Ärzte eintrafen, war sie bewußtlos.
    Darenna wich Tag und Nacht nicht vom Bett der Tochter. Mit neuen Medizinen, von ihm selbst in seinen Laboratorien gebraut, heilte er die Lungenentzündung des Mädchens in kürzerer Zeit, als es je vorher möglich war. Aber eine große Schwäche, eine tödliche Mattigkeit hielt sie umfangen. Teilnahmslosen Blicks verfolgte sie den Fall der Blätter vor ihrem Fenster, sah Flocken kommen und schmelzen, nächtlichen Regen gehn und Frost das Gezweig umklammern.
    Trotz der Winterzeit verstand es Seine Exzellenz, ihr Zimmer jeden Morgen mit frischen Blumen zu überschwemmen, seine Treibhäuser lieferten genug. Bücher und Leckereien, Geschenke wurden gebracht, Freunde kamen und flohen vor den matten Augen der Kranken; sie schlief unter Medikamenten, die ihr der Vater reichte. Musik hielt er ihr fern, als ihrer Genesung abträglich.
    Jeden Morgen fragte sie nach einem Anruf, und stets erhielt sie die Antwort, da sei nichts. In Wahrheit rief Klinger täglich bei dem Magier an und verlangte das Mädchen zu sprechen. Stets erklärte Darenna, Leontine sei nicht da, habe keine Zeit. Ihre Krankheit verschwieg er dem Elben. Nach Weihnachten hörten die Nachfragen auf. Sorgfältig siebte der Magier die Zeitungen auf Kunstnachrichten aus dem Süden.
    Kurz vor Neujahr stand sie zum erstenmal auf, und Darenna gab ihr zu Ehren ein Fest, aber sie lachte nicht. Zur Erholung beorderte der Vater sie in die verschneiten östlichen Berge.
    Ganze Tage war sie auf Schneeschuhen unterwegs, im Wechsel von Wolken und Sonne neues Leben atmend. Eines Abends fand sie sich, daß sie vor sich hin sang. Es war »Ihr schönen Augen«.

Weihnachten im Süden
    Die dringenden, meist zornigen, oft auch verzweifelten Anrufe Klingers ließen erst nach, als er überzeugt davon war, Leontine wolle ihn wirklich nicht sprechen. Um sie nicht zu quälen oder zu belästigen, meldete er sich nicht mehr, aber er gab die Hoffnung nicht auf. Darenna hatte weder Mal noch Drachen von ihm abgezogen, und sosehr er dem Magier auch Schlechtes zutraute, glaubte er doch, daß dies ein Zeichen sei, der Vertrag laufe noch, er sei nicht aus der Prüfung entlassen.
    Der Schmerz der Brandmarkung war, entfernt von dem Mädchen, erträglicher geworden. Anders verhielt es sich mit Donna. Ihre Eifersucht nahm täglich zu, ihre Ausbrüche erfolgten bei den nichtigsten Anlässen, und oft hatte er wahrhaft Furcht, in sein Hotelzimmer zu gehen, weil ihn das liebe Tierchen hoch aufgereckt und bereit, Flammen zu werfen, erwartete. Andererseits konnte er Donna nicht nachtragen, wenn sie das tat, wozu sie ausgesandt war; er wußte im Gegenteil zu schätzen, wie erträglich man mit ihr auskam. Gutherzig, wie er war, rührte ihn die Zerknirschung der Echse nach getaner Tat jedesmal aufs neue. Aber schließlich konnte sie nicht aus ihrer schuppigen, glitzerbehangenen Haut. Auch gab es Vorzüge. Seit sie bei ihm war, hatte zwar sein Verschleiß an schnellen Autos zugenommen, aber mit ihr zu fahren bereitete ihm ungemeines Vergnügen. Zudem führte ihm das kleine Monster einen untadeligen Terminkalender und hielt ein umsichtiges Auge auf die nachlässige Elbenwirtschaft gerichtet. Kein Klavierauszug und kein Manschettenknopf blieben mehr im Hotelzimmer liegen - schon gar

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