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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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lachte gereizt auf. »Ich hätte mir denken können, daß dergleichen kommt. Der alte Salamander begnügt sich nicht damit, mich zu demütigen und zu drangsalieren . . .«
    »Von wem sprichst du?«
    »Von deinem Vater oder dem, den du dafür hältst, mein armes verblendetes Kind«, entgegnete der Sänger, und sein sonst so helles Gesicht war hart und zornig. »Ich bin geboren zur Sterblichkeit .. .«, wiederholte er.
    »Norman«, sagte das Mädchen dringlich, »ich weiß nicht, warum du auf meinen Vater schimpfst. Du bist ja bisher nicht einmal zu ihm gegangen, wie ich dich gebeten hatte.« (Klinger machte eine unwillige Bewegung.) »Wer weiß, ob seine Bedingungen nicht ganz anderer Art gewesen wären. Dies hier nun ist die meine, und wäre sie es nicht wenigstens wert, in Ruhe bedacht zu werden? Gilt dir so wenig, ein Mensch zu sein mit mir?«
    Klinger sah vor sich hin. »Ich bin vielleicht zu aufbrausend«, sagte er. »Jede Bedingung bedarf einer Bedenkzeit. Laß es mich überschlafen. Du weißt, daß ich morgen abend fortmuß, eine Opernstagione lang den Orfeo singen in Mailand und Palermo. Vorher sollten wir . . .«, er griff sich an die linke Seite. »Wo kann ich dich sehen, zur Stunde, da es dunkel wird? Ich mag nicht begafft werden.«
    »Ich zeichne im Park überm Strom mit den anderen. Durch das Pförtchen könnte ich zur Promenade kommen.«
    »Nicht am Wasserwerk!« rief Klinger heftig. »Ich hasse es!«
    Das Mädchen sah ihn verstört an. »Was hast du, Norman? Wohin soll ich denn gehen?«
    Er winkte ab. »Es ist schon gut.«
    Leontine erhob sich seufzend. »Ich bin keine Elbin und will keine werden. Ich will nur mit dir leben, Mensch mit Mensch.«
    Der Sänger erwiderte nichts. Als das Mädchen fort war, ließ er sich vornüber fallen auf die bunten Tücher, in denen sie gesessen hatte, und preßte das Gesicht in das flauschige Gewebe. Dann riß er die Tür auf. »Komm, Donna. Ich weiß ja, daß du nur darauf wartest, zu pusten.« Die Noten, die ihm Leontine gegeben hatte, hielt er fest in der Hand.
    Sie indessen lief im Regen, allein, wollte in den Venusweg einbiegen, aber zwei große schwarzmähnige Löwen lagen quer vor dem Eingang und ließen sich weder durch Bitten noch durch Befehlen, weder durch Streicheln noch durch Zausen vom Fleck bringen. Sie mußte umkehren und die Bahn benutzen.

Schlimmes Wetter
    Auch der nächste Tag war regnerisch und trüb. Das Zeichnen im Park wurde abgesagt, aber Leontine fand keine Möglichkeit mehr, Klinger zu erreichen und die Verabredung zu verändern. So saß sie fröstelnd auf der Bank; trotz ihrer dicken Wolljacke und der hohen Stiefel schien ihr, als dränge die Kälte bis ins Mark. Seit dem gestrigen Gang durch den Regen lastete ein dumpfer Druck über ihren Augen, und das Schlucken fiel ihr schwer. Ein schneidender Wind kam auf und vertrieb die Wolken, überm Strom glomm ein unerwartet schönes Abendrot, und das Mädchen zitterte. Der rote Schein erlosch.
    Schließlich vernahm sie ein Rascheln im Gebüsch hinter sich, und hervor trat der Erwartete, hoch und schlank, im lang fallenden dunklen Mantel, den Kranz immergrünen Laubes in den Haaren, umgeben von seinem eigenen sanften Licht.
    »O Norman«, rief das Mädchen, »die Art deines Erscheinens gibt mir schon die Antwort auf meine Frage. Du bist nicht bereit, mit mir zu leben.«
    »Heute und immer bin ich bereit, mit dir zu leben, meine schöne Braut, ich, Glorion Ingildor, genannt Tar-Ciryatan, ein Fürst der Erstgeborenen. Aber nicht als ein Erniedrigter und in seinem Fluge Beschnittener, wie der tückische Darenna es will, sondern als der, der ich bin. Deine Bedingung verwerfe ich als unwürdig und stelle dir dafür die meine: Wenn du mich liebst, so steh auf, gib mir deine Hand und folge mir. Dort an der Straße steht mein schneller Wagen. Wir sind noch vor Sonnenaufgang jenseits der Schneeberge und im Süden. Niemand wird dich sehen, ich verstehe zu verhüllen. Mehr als den beständigen Schmerz kann er mir nicht zufügen; ich lache seiner und ertrage ihn. Die andere kann ich vertreiben.«
    Das Mädchen saß wie erstarrt. »Norman Klinger, ich verstehe nicht alles, was du sagst«, brachte sie mühsam hervor. »Aber eines weiß ich: Ich werde nicht mit dir gehen, sterbliche Braut eines Unsterblichen, dunkler Schatten vor einem großen Licht, vergehend, wenn du mich vergessen wirst. Sei mein wie ich dein. Sei ein Mensch und mit menschlichem Maße meßbar.«
    Er warf den Kopf zurück. »Der Salamander ist

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