Märchen von den Hügeln
Affäre daraus.« Der erste Schluck Wein versöhnte ihn vollends. »Nun?« fragte er und reichte Donna die Flasche.
Sie sah etwas pikiert auf den Jäger. »Noch immer auf Drachenfang?«
Dodo schüttelte den Kopf. »Ich höre auf. Es gibt Größeres als Jagdtrophäen. Das lehrten mich einer des Lichtvolks und eine Sängerin, die ich traf.«
In Lindos Zügen malte sich Erstaunen.
Dodo blickte abwesend über die nächtliche Stadt. »Er trug Musik in sich, und ihr gehörten in ihrer Liebe alle Sterne. Aber eigentlich besaßen sie nichts und keine Trophäen und waren glücklich dabei.«
»Ich denke, Donna, du solltest auch mit ihm trinken«, sagte Lindo.
Im Hintergrund begannen die Besenreiter wieder zu krakeelen, doch Donna brachte sie mit energischer Geste zum Schweigen.
»Nun gut«, willigte sie nach einigem Zögern ein. »Auf daß Sie harmlose Drachen künftig verschonen!«
Das Wort »harmlos« veranlaßte Lindo, nach seinem Arm zu fassen.
Donna strich ihm darüber. »Ich werde dich auskurieren.« Sie setzte die Flasche noch einmal an die Lippen. »Klingers Marke übrigens«, stellte sie fest.
»Was ist nun mit den Autogrammen?« drängte der Besenreiter und hielt Donna Papier und Kugelschreiber unter die Nase.
»Ach ja, richtig«, sagte sie mit beflissener Zerstreutheit. »Was hielten Sie übrigens davon, wenn ich eine Rock-Band gründete?«
»Unbedingt!« schrie der Besenreiter. »Das wäre phantastisch! Könnten Sie mir eine Karte für Ihr erstes Konzert reservieren lassen?«
Währenddessen stand sein Freund unschlüssig da und sah zu, wie Donna ihren Namenszug fünfzigmal untereinander setzte.
»Weißt du was?« sagte er schließlich zu seinem Kumpan. »Ich schenke dir meine siebenunddreißig Autogramme. Du kannst damit einen Handel aufmachen.« Darauf wandte er der Gesellschaft den Rücken und ging grußlos davon.
Die Weinflasche war leer.
Am Himmel leuchtete der Morgenstern.
Waldtraut Lewin
Der weiße Stein
Schwärzlicher Qualm stieg über den Kuppen der Hügel auf. Es wird doch nicht brennen? dachte Leontine und trieb ihren Braunen an.
Gleich oben am Berg stand Adalberts Haus. Der Zwerg saß behaglich in der Sonne und ließ sich das frisch gewaschene Haupt-und Barthaar trocknen, auf dessen bläuliches Weiß er sehr stolz war. Er grüßte Leontine mit einem Seufzer und wies hinunter, wo es aus dem Felsspalt qualmte und rußte.
»Sie hat wieder versucht zu kochen«, sagte er griesgrämig und fuhr sich mit den gespreizten Fingern durch den Bart. »Nun ja, man kann sich seine Nachbarn nicht aussuchen.«
Leontine seufzte ebenfalls, aber aus anderen Gründen. Sie fühlte sich verpflichtet zu helfen, schließlich war sie die Patentante der Kinder und der Hausfrau mehr oder weniger freundschaftlich verbunden. Sie trieb ihr Pferd den Hügel hinab.
Seit geraumer Zeit war nun schon Lindo, der Halbelb und berühmte Uhrmacher, mit Donna (Künstlername Iguanadonna Saurischia) verheiratet, einer leicht exzentrischen Dame, von der es hieß, daß sie eine große Karriere als Konzertpianistin aufgegeben habe, dem Beinah-Elben zuliebe. Man sagte, ihre Vorliebe für das Schöne Volk habe sie statt in die Arme der Kunst in die dieses immerhin Verwandten der Erstgeborenen getrieben, was ihr den Zorn ihres Meisters und Protektors, der Exzellenz Darenna, eintrug.
Allerdings war die Liebe zur Kunst durchaus nicht völlig aus ihrem Herzen verschwunden, das wußte niemand besser als ihre drei Kinder, bezaubernd aussehende feuerhaarige Geschöpfe mit den unbändigen Naturen von Wildtieren.
Leontine traf sie bereits am schlecht gehaltenen Zaun, der das Anwesen des Uhrmachers von dem gepflegten des Zwerges trennte (eine Forderung Adalberts, damit nicht allzuviel Unkraut in sein Grundstück hineinwüchse). Sie standen in respektvoller Entfernung von dem Erdloch, aus dem der Qualm drang, und riefen im Sprechchor: »Wir wollen Mittagessen und keine Liebeslieder!«
Der Älteste trug ein Schild um den Hals, das in Leuchtbuchstaben forderte: Brot statt Kunst! - Beim Anblick Leontines verstummten sie und richteten ihre ausgesprochen schönen Augen auf die Satteltaschen, während sie näher kamen.
Leontine kramte aus, was sie an Proviant hatte: ein paar Pflaumen, eine Schachtel Kekse, schließlich altbackenes Brot, Möhren und Zuckerwürfel, sämtlich fürs Pferd bestimmt. Die Gören stürzten sich heißhungrig darauf. Als alles hinter ihren Zähnen verschwunden war, sagte das Mädchen, die Zweitälteste: »War das alles,
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