Märchen von den Hügeln
was du mitgebracht hast, Tante Leontine? Du verkalkst wohl auch zusehends.« Interesselos wandten sie sich ab, und erst das Versprechen, sie dürften nachher alle einmal reiten, bewog den Ältesten, den Braunen für die Dauer des Besuchs am Zügel herumzuführen.
Leicht zögernd näherte sich Leontine den Rauchschwaden, die, wie sie wußte, aus Donnas Küche drangen. Mit allen Künsten des Herdes und Feuers hatte die ehemalige Drächin kein Glück mehr, seit ihr der erzürnte Darenna seine Protektion entzogen hatte. Bei aller Freundschaft herrschte zwischen den beiden Frauen ein leicht gespanntes Verhältnis. Leontine war schließlich die Tochter von Donnas einstigem Protektor und die Erwählte dessen, den jene in ihrer anderen Existenz bewacht hatte. Donna ihrerseits verzieh ihr nie so recht, daß sie ihretwegen von Klinger ins Badezimmer gesperrt worden war. Aber auch Leontine vergaß die Feuerstöße nicht, die ihr geliebter Elb von der anderen erhalten hatte, und nannte sie nur zu gern halb spaßhaft, halb stichelnd »Drache«. Die Ehe mit Lindo hatte sie zwar begrüßt, aber als sie erfuhr, daß das erste Kind dieser Verbindung Norman heißen sollte, hätte sie fast ihre Patenschaft zurückgezogen. Sie hielt nie hinterm Berg damit, daß sie das geschmacklos fand.
Hustend durchschritt sie die Rauchwand. Unten, in der einstigen Behausung des Zwerges, war die Luft schon erträglicher, der dickste Qualm war nach draußen abgezogen.
Vor dem erkalteten Herd, inmitten verrußter Töpfe und schwarz verkrusteter Pfannen, saß Donna am Küchentisch, die Ellenbogen aufgestützt, und kaute Knoblauch aus einem großen Steintopf, der voll war von marinierten Zehen der würzigen Knolle. Das Gold in ihren Ohren und im Haarkamm glitzerte. Beim Eintritt Leontines sah sie kurz auf und schob ihr wortlos den Knoblauchtopf hin. Leontine bediente sich, wußte sie doch, daß dies die einzige Variante war, den Ruß- und Brandgestank zu übertäuben.
»Ein Chateaubriand für mindestens vier Personen mit feinen Gemüsen und Pommes frites sollte das werden«, sagte die ehemalige Echse trostlos, »und eine Omelette surprise als Nachtisch.«
»Und?« fragte Leontine kauend.
Die andere seufzte. »Ich habe nur einen Moment Gitarre geübt.«
Als sich herausstellte, daß es vorbei war mit den Konzertsälen der Welt, war Donna nämlich zur Rockmusik übergewechselt. Sie hatte sich mit einigen anderen jungen Frauen gleicher Gesinnung zusammengetan, um, wie sie sich ausdrückte, die Rock-Szene zu revolutionieren. Die ehrgeizige und energische Drächin übernahm die Leitung der Band, spielte Lead-Gitarre und versuchte zu singen - letzteres war das Verderben der Formation. Denn was ihre betörten Freundinnen als umwerfend neu und einmalig schockierend zu bezeichnen pflegten, trieb selbst die Fans der Gruppe »Echsismus« (und deren gab es einige, denn das waren ja ausgesucht schöne Frauenzimmer) unter Johlen und Pfeifen in die Flucht. Donna kreischte, lispelte und jaulte derart unmusikalisch ins Mikro, daß nicht einmal der Gutwilligste in der Lage war, Unfähigkeit für neuen Sound zu halten.
Nicht ohne Mitleid betrachtete Leontine die Verwüstungen, die dieser »Augenblick des Übens« in der Küche bewirkt hatte. Sie schätzte die Räum- und Säuberungsarbeiten auf einen halben Tag.
Donna nahm noch eine Knoblauchzehe. Von draußen drang gedämpft der Sprechchor der Kinder herein.
»Und was soll mit denen werden?« fragte Leontine.
»Diese kleinen Bestien«, sagte die Mutter, »haben heute morgen eine Waschschüssel voll Porridge mit sechs Cola hintergespült und drei Stunden später ein halbes frisches Brot verschlungen. Darauf bettelten sie Adalbert um seine Walnüsse an. Als er nein sagte, bewarfen sie ihn mit Kienäpfeln. Von der Nachbarin bekamen sie ein halbes Blech Kuchen, weil ich Rabenmutter sie ja verhungern lasse . ..«, sie hielt sich die manikürten Finger vor die Ohren. »Laß sie brüllen, ich bin taub!«
»Sie haben eben einen gesunden Appetit und sind den ganzen Tag an der frischen Luft«, bemerkte Leontine lächelnd. »Ich will mal sehen . . . Alle Eier hast du doch nicht verbraucht für die Omelette surprise?«
»Nein, nur vierzehn«, entgegnete Donna. »Der Eischnee war phantastisch gelungen.«
Leontine verzichtete auf weitere Diskussionen über die Tragik von Donnas Küchenkünsten und stöberte nach längerem Suchen noch vier Eier, ein paar Tomaten und eine Pfanne auf, die der allgemeinen Verrußung entgangen
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