Märchen von den Hügeln
siebenunddreißig.«
»Wir könnten Ihnen das Phantomobil ja als Entschädigung überlassen«, sagte der andere und fing einen wütenden Blick des Dünnen auf.
Lindo wiegte skeptisch den Kopf. Wortlos nahm ihm Donna den Besen ab und hielt die Zigarettenglut daran.
Das Phantomobil verbrannte in ihrer Hand bis auf einen kleinen Stumpf, dessen bläuliches Flämmchen sie ausblies, völlig ungerührt, obgleich die Flammen um ihre Finger spielten.
Die Burschen hielten respektvoll Abstand. Lindo räusperte sich betroffen.
»Das wäre erledigt«, sagte Donna.
Eine Weile herrschte bedrücktes Schweigen.
Schließlich schnarrte der Dünne mechanisch: »Könnten wir bitte ein Autogramm von Ihnen bekommen?«
Lange schon hatte Dodo keinen Gesang mehr gehört. Er war ihm verleidet seit dem Spottlied, das die Elben auf ihn gewandt hatten. Doch jetzt lauschte er der Stimme, die sich da näherte, mit unverhohlener Freude. Der Wein hatte ihn befreit von der Last der Sorgen und machte ihn offen für die Künste der Elben. Er stellte die halbgeleerte Flasche ins Gras und erhob sich, um besser sehen zu können.
Über die Hügel kam eine lichte Gestalt mit blonder Mähne, gehüllt in ein langes, helles Kleid, und sang mit leichter Stimme:
»Der Morgenstern ist aufgedrungen,
Er leucht’ daher zu dieser Stunde
Wohl über Berg und tiefe Tal,
Vor Freud singt uns die liebe Nachtigall.«
Jetzt entdeckte sie ihn und hielt inne.
»Bitte sing weiter!« bat er. »Ich lade dich ein, mit mir zu trinken!«
»Nein, nein«, gab die Löwenmähnige zurück, »ich kann hier nicht verweilen, sonst grämt sich mein Liebster.«
»Dein Liebster kann warten!«
Sie lachte. »Wie ginge das zu? Dann wäre er nicht mein Liebster! Hab Dank für die Einladung. Ich muß fort.«
»Ich habe den wunderbarsten Wein der Hügel!« rief er.
»Und ich habe den wunderbarsten Geliebten unter den Sternen!« entgegnete sie und sprang leichtfüßig davon.
Dodo ließ sich traurig nieder.
Da klangen auf einmal ganz in der Nähe die Glöckchen feiner Fußspangen. »Wenn es wahr ist, daß der Wein, den du trinkst, von den Hügeln stammt«, sagte das Mädchen, das zurückgekehrt war, leise, »so will ich dir noch ein Lied singen, denn ich kann heute niemanden betrübt sehen. Dann aber muß ich eilen, denn Venus leuchtet schon hell am Firmament.«
»Ja doch, wenn wir meinen Freund gefunden haben, seid ihr in Gnaden entlassen«, stöhnte Lindo, der sich schmerzverzerrten Gesichts den Berg hinaufquälte.
Donna ging schuldbewußt hinter ihm und verfluchte im stillen die elbische Empfindlichkeit.
Beiden jedoch schier unerträglich war der nicht aufzuhaltende Redefluß des ersten Besenreiters, der sich seit ihrem Aufbruch vom Unfallort über sie ergoß; er handelte im wesentlichen von Entschuldigungen, Ehrlichkeitsbekundungen und Autogrammersuchen.
»Wenn Herr Schaumschläger so freundlich wären, für drei Minuten den Mund zu halten«, giftete ihn Donna an, »verspreche ich ihm fünfzig Autogramme in Schönschrift und zehn von Klinger obendrein.«
Der Schwätzer schwieg beglückt und warf seinem verärgerten Freund einen triumphierenden Blick zu. Der boxte ihn in die Seite.
Plötzlich vernahmen sie eine rauhe, doch angenehm warm klingende Stimme, die sang:
»O edler Rinckauer, du köstlicher Wein,
Dich trinket kein Bauer,
Du bist ihm zu rein.
Du edles Geschöpfe,
Machst mir so frisch Blut,
Wenn ich gleich nicht schröpfe,
So ist mir doch gut.«
Wenig später sahen sie den Sänger, der auf der Bergkuppe im Mondschein tanzte.
»Ist das nicht Dodo?« fragte Lindo unsicher und glaubte sich von seinen Sinnen getäuscht.
»Krieg ich jetzt die fünfzig Autogramme?« krähte der Dürre.
Sein Freund boxte ihn erneut. Diesmal schlug er zurück.
»Gebt endlich Ruhe, ihr Landplage!« ging Donna dazwischen. Sie fühlte sich mittlerweile schon etwas geschmeichelt und erwog die Chancen einer rascheren künstlerischen Karriere als der pianistischen, etwa auf dem Gebiet der Rockmusik.
»Das hört sich nach Klingers Schule an«, stellte der zweite Besenreiter fest.
Donna nickte, und der Schwätzer fragte: »Tatsächlich?«
Inzwischen hatte Dodo die Gruppe bemerkt und eilte ihnen entgegen. »Trinkt mit mir, soviel ich noch übrigließ! Und vor allem Sie, Herr Lindo! Ich habe mich für meine Untreue zu entschuldigen. Aber wie ich sehe, sind Sie wohlauf.« Er hielt ihm die Lederflasche entgegen.
»Wohlauf ist übertrieben«, brummte Lindo, »aber machen wir keine
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