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Maerchenerzaehler

Maerchenerzaehler

Titel: Maerchenerzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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sie und grinste. Ihr Gesicht war rot von der Kälte und der Schlitterei und sie strahlte. »Du hast uns gar nicht gesehen«, sagte sie zu Anna. »Du bist einfach vorbeigegangen, obwohl ich gewinkt habe, aber ich war so aus der Puste, da konnte ich nicht gleich rufen … Wieso hast du uns denn nicht gesehen?«
    »Ich war … in Gedanken«, antwortete Anna.
    »Und an was hast du gedacht?«
    »An euch«, sagte Anna. »Ich habe so sehr an euch gedacht, dass ich euch nicht gesehen habe.«
    Der Lauch war so grün. Die Kürbisse waren unglaublich orange. Die Tomaten unfassbar rot und der Feldsalat erstaunlich feldsalatfarben. Nie war Anna aufgefallen, dass Gemüse so schön sein konnte.
    »Kaufen wir hier auch was?«, fragte Micha. »Wir haben ein Buchgekauft. Zur Feier des Tages, weil keine Polizisten zu uns kommen …«
    »Hier kaufen wir nichts«, sagte Anna. »Aber nebenan kann man was kaufen, im Lichtblick. Da gibt es sicher Kakao. Habt ihr Zeit für einen Kakao? Ich … wenn ich darf … ich könnte euch einladen.«
    Micha sah Abel an und Abel schien zu überlegen. Schließlich nickte er sehr langsam.
    »Heute ja«, sagte er.
    Das Café Lichtblick hieß wirklich so und verkaufte nicht nur Kakao, sondern auch Filzwesten und Spielzeug. Die Hälfte der Leute, die dort arbeiteten, waren Behinderte, obwohl es sicher ein korrekteres Wort dafür gab. Wenn Anna mit Linda in der Stadt war, kamen sie immer hierher. Die Luft schien ähnlich blau wie zu Hause, was aber auch an dem blauen Geschirr liegen konnte. »Hier waren wir noch nie«, sagte Micha. »Aber es ist schön. Wir können jeden Tag kommen.«
    »Später«, sagte Abel, »weißt du, wenn ich ein bisschen studiere und richtig arbeite, nach der Schule. Wenn wir Geld haben. Dann kommen wir jeden Tag ins Lichtblick.«
    »Willst du hierbleiben?«, fragte Anna in der Schlange vor der Theke, während Micha die Kuchen bewunderte. »Zum Studium?«
    »Mal sehen«, sagte Abel. »Vielleicht gehen wir auch weg.«
    Und Anna stellte sich vor, wie er mit Micha zusammen umzog, es war immer ein Wir und nie ein Ich, aber wie wollte Abel auf Micha aufpassen, wenn er studierte und arbeitete? Würden sie ihm überhaupt das Sorgerecht geben, selbst wenn er achtzehn war?
    »Dieser Kuchen ist aber sehr hübsch«, sagte Micha.
    Da schob Anna ihre Zweifel beiseite und bezahlte den Kakao sowie ein Stück von dem sehr hübschen Kuchen. Sie trugen denblauen Teller und die blauen Tassen zu einem freien Tisch und draußen begann die Sonne auf den Schnee zu scheinen. Und Anna dachte, dass alles einfach genau so bleiben konnte, wie es war, sie hier am Tisch mit Abel und Micha und die Sonne draußen …
    »Über dem grünen Schiff«, sagte Abel und trank einen Schluck Kakao, »schien die Sonne eine Weile heller als sonst. Das schwarze Schiff war zurückgefallen. Doch es verschwand niemals ganz. Und trotz der Sonne wurde es nicht wärmer. Die Ranken des Rosenmädchens verwelkten nach und nach, und als sie eines Nachts ganz allein an Deck stand, fiel das letzte Blatt von ihr ab. Sie war nackt.
    ›Ach, wenn man doch das Mondlicht zu Garn verspinnen könnte‹, sagte sie. ›Wenn man doch die Schaumkronen der Wellen zu Garn verspinnen könnte, um Kleider daraus zu machen!‹
    Einzelne Schneeflocken schwebten vom Nachthimmel herab und legten sich in ihr dunkles Haar, und sie seufzte und sagte: ›Ach, wenn man doch den Schnee zu Stoff verspinnen könnte.‹ Dann setzte sie sich hin und wartete darauf, zu erfrieren.
    Da erhob sich aus einer dunklen Ecke etwas, etwas sehr Großes, und das Rosenmädchen erschrak. Es war der Wolf. Der große graue Wolf, der den roten Jäger totgebissen hatte. Sie hatte es gesehen, obwohl sie es der kleinen Königin nicht gesagt hatte. Der Wolf kam langsam auf das Rosenmädchen zu, sie sah, dass er an der rechten Vorderpfote lahmte, und sie sah auch seine Reißzähne. Als der Wolf ganz nah war, merkte sie, dass er aus einer Wunde an seiner Flanke blutete.
    ›Das war der Degen des roten Jägers‹, sagte der Wolf und sah sie mit goldenen Augen an.
    ›Aber wie kann es sein, dass du noch immer blutest?‹, fragte sieverwundert. ›Es ist lange her, seit wir den Körper des Jägers ins Meer geworfen haben. Und der Seelöwe, der bei Tag neben dem Schiff schwimmt, hat keine Wunden.‹
    Der Wolf antwortete nicht.
    ›Du frierst‹, sagte er. ›Kannst du glauben, dass sich mein Blut zu Stoff verspinnen lässt?‹
    Da bemühte sich das Rosenmädchen, zu glauben. Und in dem

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