Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
habe ich gethan! Ich versprach meiner guten Pathe, ihr immer folgsam zu seyn, und nichts auszuplaudern, was ich in ihrem Hause sehen und hören würde, und nun habe ich durch meinen Leichtsinn sie gar um die schöne Puppe gebracht, und ihr dadurch vielleicht sehr geschadet. Ach, wie wird mir's ergehen! Ich bin in der Gewalt eines abscheulichen Menschenfressers, der mich ganz gewiß schlachten und fressen wird; doch ich hab's verdient!«
Er fing wieder heftig zu weinen an, und weinte so lange, bis nach einigen Stunden die Kellerthüre aufging, und die beiden jungen Menschenfresser, seine falschen Freunde, zu ihm hereintraten. »Ha, ha!« sagten sie, »du kleines Plaudermaul, bist du nun hier? Du sollst uns gut schmecken, denn wir fressen gern frisches Menschenfleisch, und könnten dich gleich jetzt verzehren; aber wir wollen dich lieber aufsparen, bis morgen zum Frühstück.«
»Ach nein,« rief Tomy, »freßt mich lieber gleich; es geschieht mir recht.«
»Nicht doch,« sagten sie; »du mußt erst Zeit haben, deine Dummheit zu bereuen.«
Damit gingen sie wieder weg aus dem Keller. Tomy aber mußte noch einen ganzen Tag und eine ganze Nacht allein bleiben, und bekam nichts, als ein Stück trockenes Brot, und einen Topf mit Wasser. Er ließ aber Alles stehen, denn er war so voll Angst, daß er nichts essen und trinken konnte.
Am Morgen des andern Tages begab sich der alte Menschenfresser in den Keller, nahm Tomy bei dem Arm, und schleppte ihn die Treppe hinauf. »Bete!« schrie er ihn an, »und bereite dich zum Tode, denn du mußt sterben!«
Da legte Tomy ängstlich seine Hände zusammen, und bat Gott und seine Pflegemutter, ihm seine Fehler zu vergeben. Dann nahm ihn der Menschenfresser auf die Schulter, und trug ihn auf einen hohen Felsen, der von einem stinkenden Sumpf voll Schlamm und Ungeziefer umgeben war; in dem Sumpf aber waren eine Menge gräßlicher Thiere, Kröten, Nattern, Krokodile und dreiköpfige Schlangen.
»Alle die Thiere, die du da unten siehst,« sagte der Menschenfresser zu Tomy, »sind meine Kinder, die deine gottlose Pathe, mir zu Leide, in solch Ungethüm verwandelt hat. Daher ist es billig, daß sie dich fressen.«
Damit nahm er den unglücklichen Tomy, der schon vor Schrecken halb todt war, bei dem einen Beine, und wollte ihn hinabschleudern in den giftigen Sumpf. Der aber schrie in seiner Angst, so laut er konnte: »Erbarme dich, erbarme dich, liebe Mutter! wo bist du?«
Schnell wie der Blitz kam ein kleines altes Weib auf einer geflügelten Katze durch die Luft daher geritten, und berührte den abscheulichen Menschenfresser mit einem Zauberstäbchen, der plötzlich wie versteinert stehen blieb, und sich nicht mehr regen und bewegen konnte. Dann nahm sie ihm schnell den kleinen Tomy, der ohnmächtig geworden war, aus der Hand, und sagte zu dem Ungeheuer: »Wie wagst du, Gottloser! dich an diesem Kinde zu vergreifen, das dir niemals etwas zu Leide gethan hat! Zwar war es ungehorsam gegen mich, und hat deswegen Strafe verdient, allein was gehet das dich an? Deine Kinder habe ich allerdings in Kröten, Nattern und Schlangen verwandelt, sie waren aber auch nichts Besseres werth, denn es war eine gottlose, verworfene Brut. Auch du verdienst kein besseres Loos; darum sey fortan in ein Schwein verwandelt, und deine beiden Knaben, die meinen Tomy so schändlich betrogen haben, sollen als Spanferkel dich begleiten.«
Hierauf berührte die Fee, welche auf ihrer Reise zur Vorsteherinn der Feen ernannt war, und dadurch große Macht erhalten hatte, mit ihrem Zauberstäbchen den Menschenfresser, der nun als ein schmutziges und gefräßiges Schwein den Felsen grunzend hinablief, und sich in dem Sumpf herumwälzte; seine beiden Knaben aber, in Spanferkel verwandelt, schrieen hinter ihm her.
Tomy hatte sich mittlerweile wieder erholt, und nun bekam auch er seinen Theil. »Du ungehorsamer, geschwätziger Junge,« sagte die Fee zu ihm; »du hättest wohl verdient, daß ich dich in einen Staarmatz oder in eine Elster verwandelte. Hattest du mir nicht heilig versprochen, nie aus meinem Hause zu schwatzen, und keinem Menschen zu sagen, was du bei mir sehen und hören würdest? Zum Dank für meine Liebe, mit der ich dich aufnahm und versorgte, hast du mir meine Puppe geraubt, und sie den Söhnen meines ärgsten Feindes gegeben; ist das recht, kleiner Dieb? ist das recht?«
Tomy fiel auf seine Knie, und bat weinend um Vergebung, und versprach,
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