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Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Titel: Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JazzyBee Verlag Jürgen Beck
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hatte die Fee dies so veranstaltet, damit kein unbescheidener Neugieriger sich der Prinzessinn nähern, und sie in ihrem Schlafe stören möchte.

     
    Viele Prinzen wußten, daß ein gar schönes und liebliches Röslein im Schlosse war, und kamen und wollten es befreien, wollten mit dem Schwerte die Dornhecken zerhauen, oder sich durchdrängen, aber das half nichts. Blutig gerissen kehrten sie wieder zurück, und manche sollen sogar in den Dornhecken kläglich umgekommen seyn. Seit der Zeit hieß die Prinzeß Röslein nur – Dornröslein.

     
    So stand das Schloß und das Dorngehege nun schon hundert Jahre, und niemand wußte mehr, was in dem Schlosse vorgegangen war, als ein einziger alter Mann im Lande, dem es sein Großvater erzählt hatte, und der in der Nähe des Schlosses wohnte. Als nun eines Tages der Sohn des damals regierenden Königs, der von einer andern Familie stammte, als die schlummernde Prinzessinn, in der Gegend jagte, und über den dunkeln Wald weg die Thürme des alten Schlosses erblickte, da befragte er zufällig jenen alten Mann über die Geschichte dieses Schlosses, und erfuhr von ihm, daß in dem Schlosse die schönste Prinzessinn von der Welt verzaubert sey, hundert Jahre zu schlafen, bis ein ihr bestimmter Prinz sie erlöse.

     
    Den Prinzen setzte diese Nachricht in Erstaunen. Er kam auf den Gedanken, daß wohl er dazu bestimmt seyn möchte, die schöne Schläferinn zu befreien, und getrieben von Ehrgeiz und Sehnsucht beschloß er, sogleich in den Wald zu dringen.

     
    Er ging nach dem Schlosse zu, und wie er vorschritt, bogen sich von selbst die Bäume und Gesträuche seitwärts, also, daß er ganz ungehindert durch das bisher unzugängliche Gestrüpp dringen konnte. So gelangte er endlich über einen weiten Vorplatz zu dem Schlosse. Niemand ließ sich hier sehen, und niemand von seinem Gefolge war bei ihm. Sie hatten ihm nicht folgen können, denn dicht hinter ihm war das Gezweig wieder durch- und in einander gefahren. Ohne sich zu fürchten, trat er in einen großen Vorhof, wo eine schauderhafte Stille herrschte; überall lagen Menschen und Thiere in erstarrendem Schlafe hingesunken. Da sah er die entschlafenen, wachehaltenden Schweizer, noch die Gläser in der Hand haltend, über deren Leerung sie eingeschlafen waren. Weiterhin, nachdem er über einen großen, mit Marmor ausgelegten Hof gegangen war, fand er in der Wachtstube die Garden, das Gewehr auf der Schulter, in Reih' und Glied, schnarchend wie Sägemühlen. Noch weiter lagen und saßen in allen Zimmern Hofleute und Fräulein durch einander, und schliefen wie die Ratten. Endlich gelangte er in ein ganz von Gold glänzendes Gemach, in welchem er auf einem Ruhebette, dessen Vorhänge halb geöffnet waren, das wunderschöne Röslein schlafend erblickte. Zitternd und bewundernd nahete er sich ihr, ließ sich auf ein Knie nieder, und sagte: »Ach, bist du so hold, so gut, als du schlafend aussiehst, so solltest du meinem Herzen recht werth seyn, wärest du auch so wunderschön nicht!«

     
    Es war, als flüsterte es ihm zu: »Küsse leise und zart ihre holdseligen Lippen!« Da beugte er sich nieder, und berührte ihre Lippen leise und sanft; in demselben Augenblick erwachte auch Dornröschen, und sahe ihn gar freundlich an, und sagte: »Seyd mir willkommen als mein Befreier, schon lange erwartete ich Euch mit Sehnsucht.«

     
    Mit dem Erwachen der Prinzessinn waren auch alle übrigen im Schlosse erwacht, und jeder that nun wieder, was seines Amtes war. Alles war Liebe und Friede und Freundlichkeit, und der Prinz und Dornröschen, welche für einander bestimmt waren, begaben sich in das Schloß des Königs, der ihnen sehr gern seinen väterlichen Segen zu ihrer Verheirathung ertheilte.

     
    Der Prinz lebte mit seiner jungen schönen Gemahlinn in großer Eintracht und Freude, und ihr Glück wurde um Vieles noch vermehrt, als der Himmel ihnen schon im ersten Jahre ihrer Ehe eine Tochter schenkte, die sie Aurora nannten, und im folgenden Jahre auch einen Sohn, den sie Tag hießen, weil er noch viel schöner war, als seine Schwester. Die Aeltern liebten diese beiden Kinder auf das zärtlichste, und hüteten sie, wie ihren Augapfel. Und das war auch sehr nöthig, denn die Königinn stammte aus einer Popanzen-Familie, und man wollte bemerkt haben, daß sie schon oftmals ein großes Gelüste nach Menschenfleisch gehabt hätte. Sie war aber ungeheuer reich, und nur deshalb hatte sie der König geheirathet.

     
    Nun geschah es, daß

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