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Maerchenmond - Das Buch zum Musical

Maerchenmond - Das Buch zum Musical

Titel: Maerchenmond - Das Buch zum Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang und Heike Hohlbein
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Priwinn fügte erschöpft hinzu:
    »Das macht dieses Tal, Kim. Hier vereinigt sich all das Traurige, alle Angst und jeder Schmerz. Sie zerren an dir und wollen, dass du hierbleibst. Wenn du diesem Flüstern nachgibst und dich hinsetzt, dann bist du verloren.«
    »Bitte«, murmelte Kim. »Nur einen kleinen Moment. Ich bin so müde.« Er ließ sich einfach fallen, und nun hatten Priwinn und der Bär wirklich Mühe, ihn weiter zwischen sich herzuschleifen – vielleicht weil sie selbst Mühe hatten, sich auf den Beinen zu halten.
    »Du darfst nicht – Kelhim, verdammt, hilf mir doch!«, keuchte Priwinn. Sein Gesicht war ganz grau vor Schwäche. »Erdarf sich auf keinen Fall hinsetzen, hörst du? Kim! Du musst weitergehen!«
    »Nur einen Moment«, nuschelte Kim. Er war so müde, aber er hatte auch so große Angst wie noch niemals zuvor im Leben. Es war eine sehr sonderbare Art von Angst, die ihn schier lähmte und ihm jegliche Kraft raubte.
    Kelhim versetzte ihm einen unsanften Stups mit einer seiner gewaltigen Pranken. »Jetzt ist keine Zeit für’n Nickerchen, Knirps!«, schnaubte er. »Hopp, hopp, marsch, marsch, ab die Post.«
    Mit vereinten Kräften brachten er und Priwinn ihn in eine senkrechte Position. Gestützt von seinen Freunden schleppte sich Kim ein Dutzend Schritte weiter, dann noch einen und dann geschah die Katastrophe: Er stolperte.
    Priwinn und der Bär schafften es im letzten Moment, ihn wieder hochzureißen, doch dabei verlor Priwinn seinerseits das Gleichgewicht. Er fiel auf ein Knie, und kaum hatte er den Boden berührt, da konnte Kim förmlich sehen , wie jede Kraft und aller Kampfesmut aus ihm wichen. Instinktiv riss Kim sich von Kelhim los – oder versuchte es wenigstens – undgriff nach dem Prinzen. Doch Kelhim zerrte Kim so derb zurück, dass er ihm fast den Arm auskugelte.
    »Es ist gut, Junge«, brummte er. »Komm weiter.«
    »Aber Kelhim, wir können doch nicht –!«
    »Wir können und wir müssen«, fiel ihm der Bär ins Wort. »Wenn du ihn berührst, dann ist es auch um dich geschehen!«
    Tief in sich spürte Kim, dass Kelhim recht hatte. Aber er versuchte trotzdem noch einmal, sich loszureißen. Priwinn war sein Freund, ein Junge, der alles für ihn riskiert hatte, sogar sein Leben! Er konnte ihn nicht einfach hier zurücklassen! Nicht noch einen seiner Freunde!
    Kelhim hielt ihn jedoch mit unerbittlicher Kraft fest, und nur einen Moment später stellte Kim seinen ohnehin zwecklosen Widerstand ein, denn er sah etwas ganz und gar Entsetzliches: Kleinen lebendigen Geschöpfen gleich, krochen Schatten ohne Körper aus allen Richtungen auf Priwinn zu, huschten auf unsichtbaren Füßchen über ihn hinweg und in ihn hinein und begannen, all seine Kraft und seinen Mut zu verzehren.
    »Es ist … schon gut«, brachte er mitschwächer werdender Stimme hervor. »Geht … weiter.« Mit mühsamen und sichtbar angestrengten Bewegungen zog er sein Schwert aus dem Gürtel und versuchte, es Kim zu reichen. Aber seine Kraft reichte nicht mehr, sodass Kelhim eine Pranke ausstreckte und die Waffe entgegennahm. »Ihr habt es … bald geschafft.«
    »Aber ich kann dich doch nicht …«, begann Kim.
    »Du musst«, flüsterte Priwinn. »Du wirst … das Schwert … brauchen. Geh! Oder willst du, dass alles … umsonst gewesen … ist?«
    Und damit versagten sowohl seine Stimme als auch seine Kräfte und er sank reglos nach vorn. Kelhim schob das Schwert in die leere Scheide an Kims Gürtel.
    »Weiter«, knurrte er.
    Verzweiflung stieg in Kim auf und verbündete sich mit der Furcht, die sich tief in seine Seele gekrallt hatte, zu purer Pein. Seine Augen begannen zu brennen und füllten sich dann mit heißen Tränen, die über sein Gesicht rannen. Er spürte kaum, wie Kelhim ihn an den Schulternergriff und einfach vor sich herschob. Und er schämte sich seiner Tränen auch nicht, denn was war schlimm daran, um einen Freund zu weinen?
    Die schwarze Klamm schien kein Ende zu nehmen. Schmerz und Verzweiflung um den Verlust Priwinns und des Riesen wühlten wie mit Messern in seiner Brust, und die flüsternden Schatten wollten ihm das letzte bisschen Lebensmut rauben. Ohne den Bären, der ihm allein mit seiner Größe und seiner stummen Präsenz neuen Mut gab, hätte er es wahrscheinlich gar nicht geschafft.
    Irgendwann jedoch blieb Kelhim stehen und legte mit halb geschlossenen Augen den Kopf schräg, um zu lauschen, und erst in diesem Moment hörte Kim es auch: ein dumpfes Grollen und Rumpeln, das weit vor

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