Märchensommer (German Edition)
okay.“
„Kein Herumbasteln“, sagte er und hob dabei feierlich seine Hand. „Es passiert nur auf emotionaler Ebene. Alles, was ich mache, ist, meine Aura ein wenig zu erweitern. Damit kommst du in den Genuss meiner—“ Er unterbrach sich selbst und runzelte nachdenklich die Stirn. Einen Moment später begann er zu grinsen. „Meiner himmlischen Coolness.“
Ich musste lachen. Damit konnte ich definitiv leben.
Ich setzte mich auf, verschränkte die Beine im Schneidersitz, stützte meine Hände hinter mir im Gras auf und betrachtete den Himmel. Die Wolken verflogen allmählich und ließen nichts als ein strahlendes Blau zurück. Es war schwer vorstellbar, wie eine Institution wie „der Himmel“ da oben reinpasste.
Ich ließ meinen Kopf nach hinten geneigt und rollte nur meine Augen zur Seite, um Julian anzusehen. „Wie sieht er denn aus? Der Himmel. Ist das so etwas wie eine Stadt in den Wolken? Oder ein Palast, wo mehr von deiner Sorte abhängen?“
Julian rollte sich auf den Rücken und stützte sich dann auf die Ellbogen. „Das menschliche Gehirn ist nicht im Stande das wahre Bild des Himmels zu verstehen. Nichts für ungut, aber dazu fehlt es euch einfach an Vorstellungskraft. Und dann gibt es in eurer Sprache auch nicht die richtigen Worte, um den Himmel zu beschreiben.“
Natürlich konnte ich ihm seine Ehrlichkeit nicht verübeln, doch ich wünschte mir, es gäbe eine Möglichkeit, um herauszufinden, wie es da oben war. Enttäuscht senkte ich meinen Blick wieder auf die Erde. Da richtete sich Julian auf und drehte meinen Kopf mit sanften Fingern zu sich. „Der Himmel ist nicht ein bestimmter Ort, eine Stadt oder ein Haus. Man könnte es wohl am besten beschreiben als—“ Er kräuselte die Lippen. „Es ist ein Gefühl. Ganz tief in dir drin und auch rund um dich herum. Etwas Absolutes. Etwas Friedliches. Harmonie. So wie die Liebe eines unschuldigen Kindes.“
„Das sind mächtige Worte, die du da benutzt“, flüsterte ich tief beeindruckt.
Er zuckte nur belanglos mit den Schultern. „Du hast danach gefragt.“
Und doch war es immer noch schwer zu verstehen. Ein Ort in mir, wo nur Liebe existierte, ohne Ärger oder Zweifel? Tja, dann war in mir wohl sehr wenig Himmel vorhanden. Und was war mit Angst? Waren Engel, die im Himmel lebten, überhaupt im Stande, Angst zu spüren? War er es?
„Du siehst aus, als hättest du eine Menge Fragen“, meinte er.
„Ach, nur eine Million. Oder zwei.“
Lachend streifte er mir eine Strähne hinters Ohr. „Sollen wir versuchen, einige Antworten für dich zu finden?“
„Geht das denn?!“ Mir stand die Kinnlade offen. Irgendwie hatte ich gedacht, einem Engel wäre es verboten, die großen Geheimnisse des Universums mit einer minderentwickelten Lebensform zu teilen. Aber Julian nickte und somit war ich natürlich gleich Feuer und Flamme. Nur … wo sollte ich anfangen?
Ich versuchte, mich für die brennendste Frage in mir zu entscheiden, doch eigentlich war ja alles interessant. „Wie viele Engel gibt es? Sehen sie alle so aus wie du? Kennst du Gott? Persönlich meine ich. Wie alt bist du? Ist Julian dein richtiger Name?“
Sein Grinsen wurde mit jeder Frage, die aus mir heraussprudelte, breiter. „Hey, immer langsam.“ Er hob beschwichtigend die Hände. „Wir haben mehr als nur zwei Minuten, um über all das zu reden.“
Ich holte tief Luft und musste erst meine rasenden Gedanken einbremsen.
„Also gut. Wie viele gibt es von uns?“, wiederholte Julian meine erste Frage bedacht langsam. „Erst einmal gibt es einen Ring von zwölf Engeln für jede menschliche Seele. Sie wachen immer über dich und jeder von ihnen hat eine bestimmte Aufgabe, die mit dir zu tun hat. Als Nächstes kommen die Helfer. Sie sind noch keiner speziellen Seele zugeteilt, aber es sind in etwa noch mal genauso viele wie die Seelenengel. Dann gibt es die Heiler, die Begleiter, die persönlichen Schutzengel—“
Mir stand der Mund sperrangelweit offen, als Julian einen nach dem anderen an seinen Fingern abzählte.
„Die Musen, die Hüter, die Berater und die Geistführer. Ich bin sicher, dass ich jemanden vergessen habe, aber zusammengenommen sind wir … na ja, sagen wir einfach gewaltig viele. Und ich bin verdammt froh, dass sie nicht alle so aussehen wie ich.“
Fassungslos bewegte ich meine Lippen wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber es kam kein Ton dabei heraus. Julian ignorierte mich und erzählte einfach weiter. „Natürlich kenne ich Gott. Wir alle
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