Märchensommer (German Edition)
bist, richtig?“
Ich blickte ihm unerschüttert ins Gesicht und zog eine Augenbraue hoch. „Sowas kommt vor.“
Der lange Cop hinter mir packte mich schroff an der Schulter. „So, das reicht. Du kommst jetzt mit uns.“
Ich lächelte über meine Schulter, als er mich vorwärts stieß. „Wie könnte ich bei dieser netten Aufforderung widerstehen, Officer?“
Obwohl in seinem kantigen Kiefer ein rebellischer Muskel zuckte, verkniff er sich eine Antwort. Seine Finger gruben sich jedoch fester in meine Schulter, während er mich abführte. Gebeutelt schritt ich neben den beiden her und richtete meine Augen dabei starr auf den Boden, um den erniedrigenden Blicken der Menschen um uns herum auszuweichen. Ihre Verachtung verletzte mich viel mehr als die stählernen Handschellen, die sich gerade in meine Handgelenke bissen.
Nach nur wenigen Metern erreichten wir den Polizeiwagen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite schielte Debbie, diese Schlampe, hinter einer schäbigen Hausmauer hervor. Ich konnte ein höhnisches Funkeln in ihren Augen erkennen. Schon klar— besser ich als sie. Brennend vor Wut blieb ich stehen und entriss mich kurzerhand aus den Klauen des Cops, der zu überrascht war, um mich festzuhalten. Ich stapfte ein paar Schritte vorwärts und rief: „Bist du jetzt zufrieden, du blöde Kuh?!“
Aber Debbie war bereits verschwunden, ehe Riley mich am Arm packte und zurück zum Wagen zerrte. „Jetzt ist sie total übergeschnappt“, sagte er zu seinem Partner.
Ich knirschte mit den Zähnen, bis mir der Kiefer weh tat, und blickte die beiden Polizisten dabei finster an. Ohne mir die Handschellen abzunehmen, stieß mich Riley auf die Rückbank des Wagens und schlug die Tür hinter mir zu. Langsam wurde mir der wahre Ernst meiner Lage bewusst. Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Wieder einmal hatte ich es total vermasselt. Oh Mann …
Die beiden Polizisten stiegen vorne ein. Ich verbiss mir jede Schwäche und spürte, wie sich meine Gesichtsmuskeln aufs Neue verhärteten, während Riley in den Freitagnachmittagsverkehr einfädelte.
Der Lange blickte durch das Eisengitter zu mir nach hinten und kräuselte dabei seine Lippen auf eine nervende Art. „Ich frag mich immer wieder, was Kinder wie dich dazu treibt, andere zu bestehlen“, meinte er schließlich in einem herablassenden Ton. „Schiebt euch der Staat nicht schon genug Luxus in den Hintern?“
Er war gewiss nicht der Einzige, der uns Heimkinder als minderwertig ansah.
Ich sammelte Spucke in meinem Mund, um ihm zu zeigen, was ich von ihm und dem Staat hielt. Doch das würde mir wahrscheinlich nur noch mehr Ärger einhandeln. Also versuchte ich meine Wut zusammen mit der Spucke hinunterzuschlucken und erklärte ihm dann mit einer zuckersüßen Stimme: „Es geht doch nichts über eine Fahrt in einem Polizeiwagen.“
Er knurrte nur und drehte sich wieder nach vorne. Gut. Ich hatte sowieso keine Lust auf eine Unterhaltung mit einem der beiden Idioten.
Die Handschellen bohrten sich schmerzhaft in meinen Rücken. Ich zappelte ein wenig herum und landete schließlich in einer Position mit dem Rücken gegen die Tür und den Beinen auf der Rückbank, wo meine schmutzigen Stiefel einen Abdruck auf der hellgrauen Polsterung hinterließen. Es war mir egal. Was mich störte, war die Hitze. Die warme Augustsonne heizte das Innere des Wagens auf wie eine Sauna, und mein Pulli hatte sich mit meinem Schweiß vollgesaugt, noch ehe wir es zwei Blocks die Straße runter geschafft hatten. Ich lehnte meinen Kopf zurück an die Glasscheibe und grübelte darüber nach, was mich gleich erwarten würde. Keine nette Vorstellung.
Als wir an einer roten Ampel stehen blieben, ließ ich meinen Blick durch die Heckscheibe über den Verkehr schweifen. In einem roten Doppeldeckerbus stand eine schwarze Frau mit einem Baumwolltuch um den Kopf gewickelt und einem Kleinkind im Arm. Sie pustete dem Jungen zart auf die Stirn, vermutlich um ihn zu kühlen. Ich seufzte schwer. Diese Frau würde ihr Kind bestimmt niemals in einem Heim zurücklassen, wo es auf sich selbst gestellt war. Der kleine Junge würde in einem gemütlichen Zuhause aufwachsen. Mit einer fürsorglichen Mutter, die ihn liebte. Weit weg von all dem Ärger, in dem ich gerade steckte.
Die Fahrt ging weiter, und kurze Zeit später parkte Riley den Wagen vor einem schmalen Backsteingebäude, das mir gut bekannt war. Er stieg aus und öffnete mir die hintere Tür. In diesem Moment beschloss ich, dass mein
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