MärchenSpiel (German Edition)
an denen der Wagen abbog, sich selbst in dem Gewirr von Rechts und Links und plötzlichen Stopps verloren.
Der Schweißgeruch war penetrant und mischte sich mit dem alten Geruch von Angst und Urin, der von der dünnen Matratze ausging, auf der sie lag.
Männer hatten sie von der einsamen Straße gezerrt, einfach so aus ihrem normalen Leben entführt, von dem Weg nach Hause.
Wie viele es gewesen waren, konnte sie nicht sagen, hatte sie nicht genau sehen können in der Dunkelheit.
Es war alles viel zu schnell gegangen, glich zu sehr einem Alptraum, aus dem es kein Entrinnen gab.
Sie wimmerte, als ihre angespannte Blase nachgab und sie genau wie die anderen vor ihr auf die Matratze urinierte. Tränen hatte sie längst nicht mehr. Zu lange lag sie schon benommen dort, wurde getreten oder geschlagen, wenn sie sich zu sehr bewegte. Sprechen konnte sie nicht, der Knebel in ihrem Mund, der stinkende Fetzen der nach Verdammnis schmeckte und ihre Zunge lähmte, hinderte sie daran.
Stunden fuhren die Männer nun schon mit ihr durch die Gegend, ohne, dass sie sprachen und ohne etwas zu tun. Nur fahren.
Simone wimmerte, als der Wagen ruckartig hielt.
Sie fühlte die Kälte der geöffneten Wagentür, bevor grobe Hände sie an den Fußgelenken nach draußen zogen, wo sie ungebremst auf einem unebenen Boden aufschlug.
Benommen bekam sie mit, wie mehrere Handpaare sie hoch zerrten und auf tauben Beinen vorwärts stießen.
Zu viele Hände, um sich aufzulehnen, oder hinzufallen.
Stufen nach oben, Holzdielen, eine Unebenheit, vielleicht ein Türrahmen, Fliesen und Kälte.
Plötzlich verschwanden die Binde vor ihren Augen und der Knebel aus ihrem Mund, dann ihre Fesseln.
Simones Kampfgeist erwachte zu einem kläglichen Leben und sie versuchte mit ihren Beinen zu verhindern, dass sie die Kellertreppe nach unten getragen wurde.
Doch die Männer waren stärker und in der Überzahl. Ohne ihre Gegenwehr zu beachten, drängten sie die junge Frau nach unten. Zerrten und stießen sie voran, bis die Hände sie schließlich ein letztes Mal stießen und dann war sie allein.
Eine Eisentür schlug mit dem dumpfen Geräusch eines endgültig besiegelten Schicksals hinter ihr zu.
Das Wissen, dass die eigentliche Gefahr nicht von den Männern, sondern von etwas vor ihr ausging, war urtümlich und stieg aus der Tiefe ihrer Seele zu ihr empor. Die Gewissheit schien Teil einer animalisch-kollektiven Vergangenheit zu sein, angeboren.
Was war mit ihr hier unten?
Hastig strich sie sich die wirren Haare aus dem Gesicht und starrte verwirrt auf den jungen Mann, der sich in der hintersten Ecke, mit dem Rücken an die Mauer gelehnt hingesetzt hatte.
Trotz seiner ablehnenden Haltung wirkte er nur wenig älter als sie und ebenso verunsichert.
Seine passend zusammengestellte Kleidung und seine akkurater Haarschnitt verrieten ihr gemeinsam mit seinen geputzten Schuhen, dass er ebenfalls ein Opfer war. Jemand aus der höheren Bildungsschicht, den es vielleicht nur durch einen dummen Zufall hierher verschlagen hatte.
Simones Blick fiel auf das Kellerfenster, unerreichbar. Nur ein Streifen helles, silbriges Mondlicht schien zu ihnen hinunter.
Der junge Mann stand auf und Simone wich zurück, bis ihr Rücken von den Gitterstäben gestoppt wurde.
„Eine gemeine Art zu sterben!“, bemerkte der junge Mann mit einem melancholischen Unterton.
„ Sterben?“ Simone griff sich mit einer Hand an den Hals, wie um den schweren Klumpen zu entfernen, der sie dort zu ersticken drohte.
Der Fremde verzog einen Mundwinkel und blickte ebenfalls auf den silbrigen Lichtstreifen, den der Mond in die Zelle warf.
Dann atmete er tief aus. „Ich werde dich umbringen!“, bekannte er, leise und traurig.
Simone starrte ihn an. Obwohl die Situation und das Gespräch ihr surreal vorkamen, ahnte sie, dass mehr nicht stimmte, als sie begreifen konnte.
„Wieso?“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Unterlippe leicht bebte.
Der Fremde öffnete langsam sein Hemd und Simone konnte nicht anders, als ihm dabei zuzusehen, ihn anzustarren und abzuwarten, was er als nächstes tun würde.
„Mein Name ist Simone!“, flüsterte sie leise, kaum hörbar. Sie hatte einmal irgendwo gelesen – oder in einem Film gesehen? – dass es wichtig war, dass ein Psychopath deinen Namen kannte.
Der junge Mann stutzte und sah sie an. Langsames Begreifen erschien auf seinem Gesicht. „Tut mir leid!“, meinte er und machte einen Schritt auf sie zu, wobei er seine Hand auf Hüfthöhe
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