Märchenwald Mörderwald
die Normalität machen sollten.«
»Das werden wir auch zu gegebener Zeit. Aber zuvor will ich weitergehen. Den Märchenwald haben wir verlassen. Ich schätze, dass wir jetzt in den Monsterwald hineingegangen sind.«
»Wenn Sie das sagen...«
Ich war kein Mensch, der alles auf sich zukommen ließ. Ich wollte mehr wissen, und in diesem Fall brachte es uns nichts, wenn wir auf der Hügelkuppe stehen blieben und uns den Gerüchen und dem leichten Wind überließen.
»Kommen Sie«, sagte ich.
»Wohin?«
»Nach unten.«
»Und dann?«
»Sehen wir weiter.«
»Sie sind der Boss, John.«
Der Weg war leicht. Ein flacher Abstieg durch hohes Gras, das auf einem weichen Boden wuchs, sodass wir erneut das Gefühl hatten, über einen nicht enden wollenden Teppich zu schreiten.
So weit und übersichtlich das Land auch von der Hügelkuppe ausgesehen hatte, je tiefer wir kamen, umso beengter fanden wir es. Hier wuchsen wieder die hohen Bäume, deren Geäst mit langen, oft fleischig wirkenden Blättern bedeckt war.
Eine gewisse Dschungelatmosphäre existierte hier schon, aber es war nicht so schwül und drückend. Man konnte auch nicht von einer Helligkeit sprechen. Wir durchwanderten eine klare, grünliche Dämmerung, in der uns niemand störte. Wir bekamen weder Elfen, Feen noch irgendwelche Trolle zu Gesicht und entdeckten plötzlich so etwas wie einen Kasten, der nicht weit entfernt von einem Teich stand, dessen Wasser eine grünschwarze Farbe aufwies.
»Ha, das sieht aus wie ein kleines Haus da vorn.« Der Lord lachte. »Hier scheint doch jemand zu wohnen.«
»Das könnte hinkommen.«
»Und wer?«
»Wir werden es herausfinden.«
»Ich bin dafür.«
Er hatte wieder seine alte Energie zurückgewonnen und wollte unbedingt am Ufer des Teiches entlanggehen, auch wenn der Untergrund dort weicher und feuchter wurde.
Ich ging weiter davon aus, dass wir uns in einem Gebiet bewegten, das für Menschen nicht eben als geeignet angesehen werden musste. So war ich auf der Hut, denn böse Überraschungen konnten hier urplötzlich auftauchen.
Das kleine Gewässer lag an der linken Seite. Hier unten herrschte so gut wie kein Wind. Und so kam uns die Oberfläche auch mehr wie ein dunkler Spiegel vor.
Lord Britton blieb am Ufer stehen. Er schaute auf das Wasser und murmelte nach einer Weile: »Es ist dunkel, aber trotzdem klar.«
»Das kann an der Tiefe liegen.«
»Sind Sie schon mal in einem solchen Teich geschwommen?«
»Nein, Gott behüte.«
»Würde ich auch nicht tun, John. Wer weiß, was sich darin so alles verbirgt.« Er hob seinen rechten Arm an und streckte die Hand aus. »Da, schauen Sie mal.«
Er meinte den Teich, in dem sich etwas tat, denn die Oberfläche kräuselte sich. Da sich der Wind nicht verstärkt hatte, ließ dies nur einen Schluss zu.
Unter Wasser bewegte sich etwas durch den Teich und hielt Kurs auf das Ufer. Die kleinen Wellen bildeten auf der Oberfläche ein Dreieck, dessen Spitze sich unserem Standort näherte.
»Es kommt, Sinclair.«
»Gehen Sie lieber zurück.«
»Meinen Sie, dass ein Krokodil aus dem Wasser...«
Der Rest des Satzes endete in einem Schrei. Es kam kein Krokodil aus dem Wasser. Unter der Oberfläche hatte ein riesiger Fisch seinen Weg ans Ufer gesucht und sprang nun aus seinem nassen Element in die Höhe. Er war fast so groß wie ein Mensch, sein Maul stand weit offen, und die Schuppen auf seinem Körper schimmerten in fast allen Farben des Regenbogens. Der Fisch sprang einen Bogen, kippte dann wieder nach vorn und landete halb im Wasser und halb auf dem Ufer. Dabei schnappte sein Maul nach Beute, doch wir waren noch rechtzeitig genug zurückgesprungen, sodass uns der Fisch nicht erwischte.
Ich zerrte den Lord noch weiter vom Ufer weg und behielt dabei den Fisch im Auge. Ich rechnete sogar damit, dass er über Land auf uns zukriechen würde, doch er überlegte es sich anders und zog sich mit zuckenden Bewegungen wieder zurück in sein nasses Element.
»Mann«, flüsterte Lord Britton, »das war ein Hammer! Damit hätte ich nie gerechnet!«
»Ich hatte Sie gewarnt.«
»Schon. Aber – naja, wer rechnet denn mit so was ?«
»Außerdem passt er zu diesem veränderten Hund.«
Nach dieser Bemerkung schaute mich der Adlige an. »Moment mal, dann gehen Sie davon aus, dass dieser Riesenköter hier gewesen ist und hier auch eine Verwandlung erlebt hat?«
»Ob es so war, weiß ich nicht. Er hat zumindest einen Rückweg gefunden.«
»Das gibt uns Hoffnung, wie?«
»Kann man so
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