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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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Giuseppe »U Tiradrittu« Morabito, seinem Sohn Salvatore und von Giuseppe Pansera, dem Mediziner und Handlanger von »U Tiradrittu«. Das Reich der Palamaras und Bruzzanitis. Alfios Leben und das von vielen anderen lagen in der Hand dieser Leute. Leben oder Tod hingen ab von dem Gewinn, den die Mafiosi mit einer bestimmten Ladung Heroin machen wollten. Zu rein, zu wenig verschnitten, niedrigere Gewinnmarge, höheres Neukundengeschäft bedeutet Tod. Als er die Augen schloss und darauf wartete, dass die Wirkung einsetzte, wusste Alfio nicht, dass es sein letzter Schuss sein sollte. Eine Reise ohne Rückfahrkarte, eine Reise hinab in die Abgründe der Unmenschlichkeit. In eine düstere Höhle voller Träume und Alpträume, aus der jeder Abhängige früher oder später raus will.
    So wäre das auch für Alfio und viele andere gewesen, wenn sie in einer norditalienischen Stadt mit Heroin angefangen hätten. Vermutlich wären sie von der Polizei festgenommen und in ein Rehazentrum gebracht worden. Sie hätten eine Methadon-Therapie begonnen und versucht, irgendwie aus diesem schwarzen Loch herauszukommen. Alfio und die anderen Jugendlichen von der kalabrischen Südostküste konnten darauf nicht hoffen. Statt Rehazentren gibt es hier die ’Ndrangheta. Sie entscheidet, ob man mittlerweile zu einem lästigen Kunden geworden ist, den es zu beseitigen gilt.
    Drogenabhängige, die Probleme machen, die bei den Bullen singen könnten oder die mitten zwischen den Leuten auf die Piazza kotzen, sind ein Ärgernis für die ruhiggestellte Gemeinde. Der Mafia liegt inzwischen – nachdem sie sich andere Absatzmärkte erschlossen hat – viel daran, zu verhindern, dass sich die einheimische Bevölkerung des Drogenproblems bewusst wird. Also ist es besser, den zur Last gewordenen Drogenabhängigen von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Aber natürlich erst, nachdem er genügend Geld in die Kassen gespült hat.
    Der einträglichste Drogenmarkt mit den treuesten und wahllosesten Konsumenten, die man mit dem weißen, gelben, braunen oder wie auch immer gefärbten Pulver zuschütten kann, erstreckt sich von Rom aus nach Norden. Auf ihn konzentrieren sich die Clans mittlerweile. Außerdem ist es den Drogenbossen möglich, ihr Ansehen in ihrer Heimatregion Kalabrien zu wahren, wenn sie im reichen Norditalien – und nicht mehr zu Hause im Mezzogiorno – ihnen unbekannte Jugendliche anfixen lassen.
    Zu Hause zeigt sich der Pate gern aufmerksam »seiner« Gemeinde gegenüber, besorgt um das Schicksal einheimischer Jugendlicher, deren weitere Förderung seine Herzensangelegenheit zu sein scheint. Was außerhalb der Gemeindegrenzen passiert, bleibt der einheimischen Bevölkerung zumeist verborgen: die in ihrer Kotze liegenden Fixer in den öffentlichen Parks, die zusammengekrümmten, zitternden Süchtigen auf Turkey. So erklärt sich, wie die Clans darauf kamen, ihr Absatzgebiet in die Städte Norditaliens zu verlegen. Dort konnten die Mafiosi schnell und ohne negative Folgen für ihr heimisches Ansehen eine weitaus höhere Nachfrage in Gang setzen.
    Modena, unsere neue Heimat, war natürlich längst ebenfalls Umschlagplatz dieser Drogenindustrie. Auch hier sorgten die Clans mittlerweile dafür, dass man leicht an Drogen kam. Erst mit gigantischen Rauschgiftlieferungen, dann mit den unaufhörlich hereinströmenden Drogenprofiten, die zusätzlich in die boomende legale Wirtschaft eingeschleust wurden und so die Region noch reicher machte. Für die verschiedenen Mafia-Gruppierungen stellen Modena und die ganze Emilia-Romagna mittlerweile strategische Zentren dar.
    Hatte ich wirklich angenommen, dass es ausreichen würde, einfach die Region zu wechseln, um nie mehr mit der Mafia konfrontiert zu werden? Ich hatte es gehofft. Naiverweise. Ein Traum, eine Utopie, die ich für möglich gehalten hatte. Tatsächlich hatte ich in meinen ersten 17 Lebensjahren in mir die Überzeugung genährt, dass das Leben stärker als alles Übel der Welt sei und dass es dem Tod gleichkäme, wenn man aufhört, an die Kraft der Träume zu glauben. Einem mentalen Selbstmord, der eine weitere Niederlage für uns und einen weiteren Triumph für die Drogen-Mafia bedeutet hätte.
    Ich möchte wieder nach Bovalino zurück. Nach Kalabrien. Heute fühle ich mich reif dafür. Ich bin bereit, einen Kampf aufzunehmen, den ich einige Jahre zuvor mit Sicherheit nicht überstanden hätte. Ich habe gelernt, Schicksalsschläge zu ertragen, dank dem Schönen, das es überall auf der

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