Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Turiner Flughafens, beobachten die verdeckten Ermittler die Ankunft eines Maserati. Am Steuer ein
Sgarrista
der ligurischen ’Ndrangheta, Onofrio Garcea, der als Gefolgsmann des Bonavota-Clans aus Sant’Onofrio (bei Vibo Valentia) gilt. Er arbeitet für die Mafia-Zelle von Genua und gilt nicht gerade als ein Heiliger. Gebürtig in Vibo Valentia, hat er im Laufe seines bisherigen Lebens schon einige Vorstrafen zusammengetragen, »wegen Zugehörigkeit zu einer mafiösen Vereinigung« und anderen Delikten. Sein Fahrgast, den er von Genua nach Turin gefahren hat, ist der besagte Gino Trematerra, Jahrgang 1940. Und auch wenn dieser mittlerweile nicht mehr Senator, sondern Bürgermeister und Europaabgeordneter ist, für die Menschen von Acri bleibt er der »Senator Trematerra«.
Die Begegnung im Hotel
Atlantic
wird von den Ermittlern als äußerst alarmierend eingestuft, »unabhängig vom Grad der Mitwisserschaft des Senators«. So steht es in ihrem Bericht. Es ist nicht das erste Mal, dass der Name Trematerra in Unterhaltungen der Paten fällt. Zwei Bosse aus Africo und Roghudi (bei Reggio di Calabria) sprachen in einem abgehörten Gespräch über die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009. »Caridi ist aus Reggio di Calabria, der Trematerra ist zwar aus Cosenza, aber das macht nichts, der scheißt auf die dortigen Mafiosi«, meint Pietro Zavettieri. »Aber die wollen Trematerra trotzdem unterstützen«, hält Pietro Romeo dagegen. »Klar, er ist dort Kandidat«, stimmt ihm Zavettieri zu. »Der, der uns jetzt gefällig ist, ist aber Caridi«, sagt der Boss aus Africo.
Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament engagiert sich die ’Ndrangheta immer besonders. Von Süd bis Nord. So zeigen die Clans aus Piemont Interesse an der Kandidatur von Fabrizio Bertot, damals wie heute Bürgermeister der Gemeinde Rivarolo Canavese. Die Wahlmaschinerie, die der Pate Giuseppe Catalano in Gang gesetzt hat, ist beeindruckend. Bertot soll unter anderem »einigen hochrangigen Mitgliedern der ’Ndrangheta in Turin« vorgestellt werden. In einem zweiten Schritt soll nach dem Plan von »Don Peppe« Catalano der Pakt mit dem Politiker konkretisiert werden.
Es beginnen, wie der ermittelnde Untersuchungsrichter sagte, »persönliche Verhandlungen um einen Stimmenkauf. Als Gegenleistung für die Wahlunterstützung ist die Zahlung von 20.000 Euro vorgesehen«. Die Summe wird von den Battaglia selbst genannt. Er fügt hinzu: »Wir haben es aber leider nicht geschafft, mit einem fertigen Angebot hierher zu kommen, und das aus einem ganz einfachen Grund: Wir haben noch nicht so recht verstanden, in welcher Form Geschäft und Gegengeschäft erfolgen sollen. Unsere Freunden aus Kalabrien wollen uns jedenfalls helfen, ohne eine einzige Lira zu verlangen.«
Vor seinem Treffen mit Catalano hatte sich Battaglia – zusammen mit Giovanni Macrí – mit Giovanni Iaria verabredet. Er war es auch gewesen, der ihm die gewünschte Unterstützung kostenlos zugesichert hatte. Aber damit ist Boss Catalano nicht einverstanden. Die beiden willigen schließlich ein, zu bezahlen. »20.000 Euro. Wir sprechen mit dem Bürgermeister. Wir werden die Summe schon irgendwie zusammenkriegen. Entweder bringt sie der Bürgermeister auf, oder ich bezahle das aus eigener Tasche«, erklärt Battaglia, die rechte Hand von Bertot, unmissverständlich. Die drei sprechen auch über künftige Gewinne und Gefälligkeiten. Die Umwidmung eines landwirtschaftlichen Grundstücks aus dem Besitz von Franco d’Onofrio wird angesprochen, der auf diesem Gelände seine Klinik erweitern möchte. Eine »uneigennützige« Gefälligkeit, die jedoch ebenfalls ihren Preis hat. Battaglia beziffert sie auf 50.000 Euro, bezahlbar in zwei Tranchen zu 30.000 und 20.000.
Die Präsentation des »Siegerpferdes«, des Rekordhengstes nach Art eines Varenne, findet im
Café Italia
statt, eine Art Wahlkampfbüro, das gemeinsam von Politikern und Mafiosi genutzt wird. »Es ist uns eine große Ehre, heute den Herrn Bürgermeister sowie seinen Assistenten bei uns begrüßen zu dürfen. Das erfüllt uns mit Stolz. Ich darf euch bei der Gelegenheit daran erinnern, dass der Herr Bürgermeister Kandidat bei den Europawahlen ist.« So schwadroniert »Don Peppe« Catalano in Gegenwart von Bertot und seines Assistenten Antonio Battaglia, gebürtig aus Capo Spartivento (Kalabrien), Schlüsselfigur in der Affäre um die Stimmenkäufe und bestens vernetzt in der Politik- und Wirtschaftsszene der Region Turin. Bis 2004
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