Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Boss Barbieri nicht gekommen, hätte es keine Gefahr eines Rückfalls gegeben. Das ist sehr unbefriedigend für diejenigen, die seit langem gegen Korruption kämpfen. Schließlich schritt Generalsekretär Bersani ein und unterstützte den Vorschlag des Bürgermeisters von Bologna, Luigi Merola, von der Partei PD, der die Einberufung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zu den Mafia-Umtrieben in der Emilia-Romagna forderte. Es wäre das erste Mal, dass in dieser in Watte gepackten und gemäß den Konventionen in Schweigen gehüllten Region unangreifbare Anti-Mafia-Organe zum Einsatz kämen.
Aber die Verhaftung prominenter Mitglieder der Gesellschaft zeigt, dass auch diese nicht mehr sakrosankt sind. So geriet bereits im Juli 2010 der Ex-Generaldirektor der Bank
Credito Sammarinese
aus San Marino, Valter Vendemini, in die Fänge der Justiz. Auch in diese Affäre war der Drogenhändler Barbieri verstrickt. Vendemini hatte es ihm ermöglicht, auf den Konten des Kreditinstituts im Schatten des Monte Titano riesige Gewinne aus dem Drogenhandel und anderen illegalen Aktivitäten zu deponieren. Vincenzo Barbieri ist eine jener Personen, die bei jeder Bank, die er betritt, automatisch die Alarmglocken schrillen lassen müssten. Jede seiner Kontenbewegungen müsste automatisch auf Geldwäsche hin untersucht werden. Schon die einfache Eröffnung eines Kontos müsste konsequent abgelehnt werden. Doch das war nicht der Fall bei der Bank aus San Marino, die ihre Geschäftsbeziehung zu Barbieri den italienischen Behörden erst nach dessen Verhaftung anzeigte.
Vendemini war schon 2007, noch als Bankdirektor, von der italienischen Bankenaufsicht wegen einiger Unregelmäßigkeiten gerügt worden. Er wurde zwischenzeitlich seines Amtes enthoben, doch das konnte nicht verhindern, dass die Zentralbank von San Marino das Kreditinstitut mittlerweile unter ihre Aufsicht gestellt hat. Als geschäftsführender Direktor wurde kein Finanzexperte, sondern der Interpol-Direktor von San Marino, Maurizio Faraone, eingesetzt. Als erste Maßnahme verfügte er die zeitweise Schließung der Filiale und der zugehörigen Finanzgesellschaft namens
Polis
. Der Verhaftung von Vendemini folgten weitere aufsehenerregende Ereignisse. Zu den Beschuldigten zählte auch der Präsident und Gründer des Instituts, Lucio Amati, sowie andere Funktionäre. Die Untersuchungen der Anti-Mafia-Behörde von Catanzaro im Rahmen der Operation »Decollo Money« wurden im Februar 2012 abgeschlossen. Insgesamt wurden 42 Verdächtige verhaftet, die Hälfte von ihnen stammte aus San Marino.
Aus den abgehörten Gesprächen ging hervor, dass es einige begründete Verdachtsmomente gegen die Geschäftsführung des Instituts gibt. Lucio Amati wurde zu Hausarrest in seiner Villa in Riccione (Adria) verurteilt. Die von Barbieri und seinen Bandenmitgliedern in Gang gesetzte Operation hatte 15 Millionen Euro in die Kassen des klammen Kreditinstituts gespült. Diese sollten auf mehrere neueröffnete Geschäftskonten bei der Bank verteilt werden. Ein großer Teil des Geldes traf auch ein, doch dann hat die Ermordung Barbieris, der am 12. März 2011 mit zwanzig Pistolenschüssen in San Calogero (bei Vibo Valentia in Kalabrien) hingerichtet wurde, den weiteren Ablauf der Geldwäscheoperation verhindert.
Die Staatsanwälte von Catanzaro hielten als Ergebnis den skandalösen Kern der Vorgänge fest: »Es handelte sich um eine Bank in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die hoffte, sich mit Mafia-Geld sanieren zu können.« Barbieri, der den Ermittlern zufolge zum Mancuso-Clan gehörte, hatte es immerhin geschafft, mit Spitzenmanagern des Geldinstituts in persönlichen Kontakt zu treten. Dies hatten ihm Selbständige des Ortes ermöglicht, »die in der Lage waren, die unabdingbaren Kontakte mit den richtigen Leuten zu vermitteln«. Das alles liegt noch nicht lange zurück. Wenn man diese Dinge zur Geschichte des Vallefuoco-Clans hinzuzählt, der als Dienstleister für andere ’Ndrangheta-Clans und einige Führungsfiguren der sizilianischen Mafia Geldwäsche in großem Stil organisierte, dann bestätigt sich das Bild der Clans aller drei Mafien, die ständig auf der Suche nach Lücken im legalen Finanzsystem sind, nach Grauzonen, innerhalb derer ihre Art der kreativen Buchführung toleriert oder gar gefördert wird.
Von Bologna und Rimini aus sind die Wege nach San Marino kurz. Die sicheren Bankschließfächer des Kleinstaates ziehen ’Ndrangheta, Mafia und Camorra magisch an. Die
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