Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Ein Projekt, das verabschiedeter und finanzierter Teil der Planung für die Expo 2015 war. Die Sanierung der verseuchten Grundstücke ließ sich regeln. Das ist in dieser Gegend ein bekanntes Problem. Die Gemeinde Desio hatte schon 2009 bekanntgegeben, dass sie im Verfahren gegen die Mafiosi als Nebenklägerin auftreten werde, um eine Entschädigung für die Verseuchung ihres Gemeindegeländes zu erhalten. Mit einer ersten Teilsumme von 50.000 Euro sollte die Entseuchung auf den Weg gebracht werden. Bis 2012 sollte auf dem Gelände an der Via Molinara der Fotovoltaik-Park eröffnet werden. Aber mit 50.000 Euro ließ sich natürlich nicht das gesamte verseuchte Gelände sanieren. Daher hat die Gemeinde den Eigentümer des von der ’Ndrangheta als Müllhalde genutzten Geländes aufgefordert, sich an der Sanierung finanziell zu beteiligen. Doch seither liegt die Angelegenheit auf Eis, mit den Sanierungsarbeiten wurden bisher nicht begonnen.
Dem von Ex-Bürgermeister Mariani beauftragten Experten, Ingenieur Giuseppe Farina, zufolge würde die Sanierung des vielfältig verseuchten Geländes (Asbest, Treibstoffreste, Chrom, feste Abfallstoffe, Bauabfälle, Schutt und eine Vielzahl bis heute unbekannter Giftstoffe) mindestens zwei Millionen Euro kosten. »Aber die Untersuchungen, auf denen diese Schätzung beruht, wurden nur bis zu einer Tiefe von sechs Metern durchgeführt«, wie der neue Bürgermeister Roberto Corti während einer Sitzung des Stadtrates erklärte. »Den damals entstandenen Fotos zufolge war die Grube ursprünglich weitaus tiefer. Zu befürchten ist, dass die giftigsten und gefährlichsten Stoffe auf dem Grund der Grube lagern. Daher könnten die endgültigen Kosten am Ende durchaus höher liegen. Wir haben die Verwaltung aufgefordert, Spezialunternehmen zu kontaktieren, um einen annähernd realistischen Kostenvoranschlag zu bekommen.«
Eine schwierige Situation, die durch den Umstand, dass keine Regionalgelder hierfür zur Verfügung standen, noch verkompliziert wurde. Der Bürgermeister ergänzte: »Wie es scheint, ist es derzeit nicht möglich, das Gelände auf die Liste der vorrangig zu sanierenden Grundstücke zu setzen, daher kann keine regionale Unterstützung beantragt werden. Unsere Prozessvertreterin, die Rechtsanwältin Anna Galli, wird dafür Sorge tragen, wie wir uns an denen schadlos halten können, die den Schaden verursacht haben.« Allerdings hatte man nicht damit gerechnet, dass sich viele der Angeklagten als mittellos erklärten. Von diesen konnte man also kein Geld mehr erwarten.
Zeitweilig kam die Idee auf, das Projekt »Pedemontana« (die Autobahnquerspange nördlich von Mailand) in die Sanierung einzubeziehen, da die geplante Trassenführung das Gelände streift. Die Verhandlungen hierfür sind noch im Gange, wie der Lokalpresse zu entnehmen ist. Seit den ersten Sanierungsankündigungen 2009 ist viel Zeit vergangen. Die Lombardei im Allgemeinen und Desio im Besonderen sind in eine juristische Mega-Auseinandersetzung ohne Vorbilder verwickelt. Die Operation »Crimine« vom Juli 2010 hat die Lokalpolitik der Gegend nördlich von Mailand zusätzlich durcheinandergewirbelt. Die Gemeindeverwaltung von Desio ist aufgelöst worden. In diesem Fall nicht wegen mafiöser Verstrickungen, sondern wegen des Rücktritts des Gemeinderates.
Die ’Ndrangheta hatte versucht, in Desio durch die Vordertür Fuß zu fassen und auf die über Jahre hinweg aufgebauten »freundschaftlichen Beziehungen« zu bauen. So pflegte sie auch einen engen Kontakt zu Natale Marrone, dem gewählten Gemeinderat und örtlichen Vorsitzenden der rechtsgerichteten
Alleanza Nazionale
. Er hatte sich mit der Bitte um einen Gefallen an Pio Candeloro gewandt, der von den Staatsanwälten für den örtlichen Mafia-Statthalter gehalten wird. Candeloro sollte einen gewalttätigen Überfall auf Rosario Perri inszenieren, damals Leiter der Bauabteilung der Gemeinde Desio. Das lehnte Mafia-Boss Candeloro ab. Nicht aus Menschlichkeit, sondern weil Perri selbst zu den »Unterstützten« gehörte, die im Schutz der »ehrenwerten Gesellschaft« standen.
Weil sie inzwischen nicht nur Orte, sondern ganze Institutionen kontrolliert, ist es für die ’Ndrangheta noch nie so einfach gewesen, ein Gelände zu verseuchen. Die Versprechungen, die der Beigeordnete 2009 bezüglich der Geländesanierung machte, wurden nie eingelöst. Um die Auflösung der Gemeinde wegen mafiöser Verstrickungen zu verhindern, trat der Gemeinderat von Desio
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