Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
geschlossen zurück. Offiziell hieß es, dies sei der erste Fall in der Lombardei. Nach dem Rücktritt kam es zu Neuwahlen, die von der Demokratischen Partei und ihrem Spitzenkandidaten Roberto Corti gewonnen wurde. Er führt eine linksliberale Koalition an.
Doch das stinkende Gold in Form von Giftmüllaufträgen lockte auch die Cosa Nostra aus Palermo an. Diese hatte jahrelang die Giftmüllentsorgung in wilden Müllkippen und auf der grünen Wiese in Norditalien besorgt. Luigi Abbate, der als »Ehrenmann« der Mafia-Zelle von Porta Nuova in Palermo gilt, hat solche Aufträge in ganz Italien ausgeführt. In Sizilien, aber auch im Norden. In der Lombardei, in Ligurien und in der Emilia-Romagna. Während der Operation »Città Pulite« (dt.: Saubere Städte) im April 2011 hat der Gerichtshof von Palermo von »MG-Gino« Güter im Wert von 22 Millionen Euro beschlagnahmt. Darunter befanden sich Eigentumswerte von verschiedenen im illegalen Müllverklappungswesen engagierten Firmen.
Auf diesem Gebiet war auch die Firma
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aktiv, das unternehmerische Aushängeschild der Mafia-Zelle aus Palermo und ihren Ablegern in Norditalien, genauer gesagt in Ospedaletto Lodigiano. Sie war mit der Müllbeseitigung in verschiedenen Gemeinden Norditaliens beauftragt. »MG-Gino«, der seinem Namen beim Waffengebrauch alle Ehre macht, wurde 2010 aus der Haft entlassen und lebt heute unter spezieller Beobachtung der Polizei wieder auf Sizilien. Vor der Beschlagnahmung kontrollierte er seine Firmenbeteiligungen durch eine Reihe von Strohmännern, die zumeist aus seiner Verwandtschaft stammten.
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beispielsweise wurde 2005 offiziell Eigentum von Claudio Demma, dem Ehemann von Maria Abbate, der Schwester des Clan-Chefs. Beide sitzen mittlerweile im Gefängnis.
Die Firma bewarb sich um Entsorgungsaufträge, bevorzugt in den kleinen Gemeinden Norditaliens. Bis 2009 hatten sie vierzig Ausschreibungen für sich entschieden, zumeist in der unteren Lombardei, zwischen Lodi und Cremona. Die Männer von Abbate schreckten auch nicht davor zurück, Konkurrenzfirmen zu bedrohen. Betreten die Mafia-Firmen einen bestimmten Wirtschaftssektor neu, streben sie möglichst rasch das Monopol an. »Das sind Leute, die in der Lage sind, dir den Kopf eines toten Pferdes ins Bett zu legen«, gestand ein Beamter des Technikamtes der Gemeinde Sant’Angelo Lodigiano. Beunruhigende Szenarien, denen in den künftigen Verfahren weiter nachgegangen wird.
Schon 2009 entdeckte die Stadtverwaltung von Lodi, dass Demma zusammen mit zwei städtischen Beamten die Ausschreibungsunterlagen für Arbeiten im Wert von fünf Millionen Euro gefälscht hatte, um die Ausschreibung für sich zu entscheiden und einen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Ein Hauptbetätigungsfeld für die Firmen des Clans ist jenes, das Antonino Abbate, der Neffe von »MG-Gino«, abdeckte. Den Ermittlern zufolge soll er die Interessen der Familie gegenüber den öffentlichen Institutionen im Norden wie im Süden Italiens vertreten haben.
Erde, Giftmüll, Beton, Ziegel und Bitumen. Darauf richten die Mafia-Clans ihr wirtschaftliches Handeln aus. Den Weg gehen die Mafiosi gemeinsam mit einheimischen Raubrittern. Experten auf ihrem Gebiet. Unternehmern in Sachen Beton, Erdarbeiten oder Giftmüll. Maurizio Luraghi war einer von ihnen. Ein Unternehmer mit einer langen und bewegten Geschichte. Ein echter Lombarde. Seine Firmen sind Goldgruben. Dank der Freundschaft mit Rocco Papalia und Domenico Barbaro ist es niemandem gelungen, den Aufstieg seiner Firma
Lavori Stradali
aufzuhalten. Die Verbindung mit Rocco Papalia, dem inhaftierten Chef des Papalia-Clans aus Platì (Kalabrien), ist eng und besteht seit Langem. Sie geht auf die Zeit vor der Verhaftung des Mafia-Bosses zurück.
Die Lücke, die Papalias Verhaftung hinterließ, schloss Domenico »L’Australiano« Barbaro. Hierbei handelt es sich um eine weitere »Respektsperson« der ’Ndrangheta-Familien von Platì. Er lebt seit Jahren in Buccinasco (Lombardei). Hier, im Platì des Nordens, haben die Wachposten auf ihren Mopeds ein Auge darauf, wer den Ort betritt und wer ihn verlässt. So geschieht es im Übrigen in allen von Mafia-Clans dominierten Ortsteilen und Gemeinden. Sei es auf Sizilien oder in der Lombardei. Buccinasco ist Herrschersitz des Barbaro-Papalia-Clans, der mit den Clans der Perres, Agrestas und Trimbolis verbündet ist. Seit den achtziger Jahren haben sie sich in der Lombardei in vielen Tätigkeitsfeldern einen Namen
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