Mafia Princess
durch und marschierte in die Bar, in die die Tänzerinnen abends gingen. Sie platzte mitten in die Runde und verkündete, diese Schlampe, diese Melanie, wisse sehr wohl, dass der Typ, mit dem sie in die Kiste stieg, ihr Mann sei und sie ein zweites Kind von ihm erwarte.
Als Dad erfuhr, was geschehen war, ging er in aller Ruhe in die Bar und erzählte Melanie und ihren Freundinnen, dass Mum verrückt sei. Er war kalt und berechnend und behauptete, sie sei von einem anderen schwanger und er werde sie deswegen verlassen. Alle glaubten, was sie glauben wollten.
Mum hatte Dampf abgelassen, aber nun war sie körperlich und geistig erschöpft und konzentrierte sich deshalb wieder auf ihr zweites Baby. Sie wusste, es würde ein Mädchen werden. Dad machte sich gar nicht erst die Mühe, zur Geburt zu erscheinen, die diesmal, auf Mums Betreiben, in einem Krankenhaus stattfand. Meine Schwester Rosella kam zur Welt, aber erst zwei Tage später erschien Dad im Krankenhaus, und sogar bei dem Anlass hatte er eine andere Frau dabei.
Da sah Großmutter rot und zerrte die junge Frau, die nicht wusste, wie ihr geschah, aus dem Auto, schlug auf sie ein und schrie: »Du elende Hure!« Sie liebte meinen Vater, doch es gefiel ihr nicht, was er tat, und so ließ sie ihre Wut an der ersten Person aus, die nicht zur Familie gehörte.
Als Dad ins Krankenzimmer trat, fragte meine Mutter: »Du hast dich mit anderen Frauen herumgetrieben, oder?«
»Bestimmt nicht, das schwöre ich beim Leben dieses Babys.«
Es war furchtbar, tragisch. Die winzig kleine Rosella starb drei Wochen später. Sie hatte viele gesundheitliche Probleme, aber als offizielle Todesursache wurde Tetanus angegeben.
Mum war am Boden zerstört. Sie fühlte sich ganz verloren, und sie wusste, dass es definitiv aus war mit Dad. Es war vorbei. Ich war gerade mal ein Jahr alt. Mum hatte ein Kleinkind und keinerlei Einkommen. Die Miete für die Wohnung konnte sie sich nicht mehr leisten, also hatte sie auch keine Bleibe mehr.
Sie ging »nach Hause« – mit anderen Worten, sie ging zu Großmutter. Das schien ihr das einzig Vernünftige zu sein. Großmutter war auf ihrer Seite. Sie war Familie.
Und sie war natürlich das Geschäft. Großmutter bezahlte Fahrstunden für Mum. Als sie ihren Führerschein hatte, begann sie an einem kalten, nebligen Wintertag mit Schmuggelfahrten. Von nun an fuhr sie an den Comer See und in die Schweiz. Manchmal begleitete sie einer meiner Onkel.
Es war ihre Art, der Familie Loyalität zu beweisen und etwas Geld zu verdienen. In dieser Zeit wurde ich von Großmutter versorgt. Und Dad? Er machte weiterhin Karriere in der Unterwelt, seine Geschäfte wurden immer gefährlicher und lukrativer. Das spiegelte sich auch in seinem Lebensstil.
Mum musste sehen, wie sie ohne ihn zurechtkam. Sie wünschte sich für uns ein eigenes Zuhause und bewarb sich um eine Sozialwohnung. Es dauerte nicht lange. Ich war knapp drei Jahre alt, als wir ins Quarto Oggiaro, in die »Mussolini-Wohnungen«, zogen, Mailands größtes Gebiet sozialen Wohnungsbaus. Das vom italienischen Diktator angeregte Viertel mit seinen Plattenbauten beherbergte Einwanderer, zunächst aus dem Süden Italiens, dann, zu der Zeit, als wir einzogen, aus der Türkei und Jugoslawien. Es war ein bunter Schmelztiegel.
Und es war unser erstes eigenes Zuhause und deshalb etwas ganz Besonderes für Mum. Allerdings nur für sie. Denn es war gleichzeitig die härteste Gegend in Mailand, ein armer, grauer, heruntergekommener Wohnsilo für Tausende von Armen, eisig im Winternebel und drückend in der Sommerhitze.
Wir hatten einen großen Raum, gut sechs mal sechs Meter, in dem wir schliefen, aßen und auch sonst alles taten. Dafür bezahlten wir eine symbolische Miete, den Gegenwert von einigen Pfund pro Woche. Viel hatten wir nicht: ein Bett für uns beide zusammen, eine kleine Kochecke und eine winzige Toilette. Ein Bad oder eine Dusche gab es nicht. Wenn wir uns einmal gründlich waschen wollten, gingen wir zu Großmutter. Wenn das nicht ging, mussten wir die öffentlichen Duschen benutzen. Ich griff dann immer nach Mums Hand, wenn wir uns anstellten, bis wir unseren Platz unter der Dusche bekamen. Es war ganz egal, in welcher Jahreszeit oder an welchem Tag wir hingingen, das Wasser war immer eiskalt: im Sommer erfrischend, brutal im Winter.
Mit der Straßenbahn Nummer Sieben oder Zwölf fuhren wir etwa eine Viertelstunde und gingen dann zehn Minuten zu Fuß; das war unser Weg vom Quarto Oggiaro zu
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