Mafia Princess
zahlte sich Großmutters Arbeit hinter den Kulissen aus; die Abgründe ihrer Bestechungsaktivitäten waren bodenlos. Dads Prozess ging schnell über die Bühne, und man verurteilte ihn wegen Mord. Großmutters Anwälte legten sofort Berufung ein. Die Anklage wurde auf Totschlag abgeändert, und sein Fall neu verhandelt. Das alles wurde mit Geld bewirkt. Als er wegen Totschlag erneut vor Gericht erschien, hatten etliche Richter viel Geld von Großmutter bekommen. Nur weil Dad ein derart hochrangiger Verbrecher war, erhielt er überhaupt eine Haftstrafe. Eine Verurteilung musste her, und so wurde er zu sieben Jahren Haft im Gefängnis von Parma verurteilt. Ein Bewährungssystem im eigentlichen Sinn gibt es in Italien nicht, aber in der Regel werden für ein Jahr Haftstrafe drei Monate abgezogen. Ein Jahr im Gefängnis entspricht in Wirklichkeit neun Monaten. Das würde nicht zu hart werden. Im Gerichtssaal war es wie ein Fest, Dad umarmte Großmutter und seine Geschwister. Das konnte er auch – schließlich wurde das Urteil nach der Berufung auch noch auf drei Jahre herabgesetzt.
Das war eine Botschaft an die anderen Mafiosi und den Rest der internationalen Unterwelt, eine Botschaft, die besagte, dass die Familie Di Giovine so ziemlich tun und lassen konnte, was sie wollte. Sie waren unberührbar, drei Jahre in Parma waren nicht unangenehmer für Dad als ein Flohbiss. Es war wie eine Kur; er hatte Seidenbettwäsche und eine spezielle exotische »Pflege« von einer extrem aufmerksamen Krankenschwester.
Mums Gesicht war erstarrt vor Sorge, als sie den Anruf von Großmutter entgegennahm, die ihr erzählte, Dad sei in Italien im Gefängnis. Es hätte ihr von Herzen egal sein können, wo er war, solange er nur aus unserem, oder besser gesagt, aus meinem Leben verschwand. Aber nun kam der Anruf, den Mum nie gewollt, den sie gefürchtet hatte. Dad wollte seine »kleine Prinzessin« sehen.
Das wäre vorher nicht möglich gewesen, denn in Amerika hatte er als ein anderer gelebt. Es wäre zu riskant gewesen. Aber jetzt konnte ihn nichts davon abhalten. Als Mum den Anruf entgegennahm, spiegelte sich in ihrem Gesicht eine Mischung aus Angst und Resignation. Sie saß zwischen allen Stühlen. Sie hatte uns ein neues Leben aufgebaut, hatte ihre Mauer errichtet.
Aber Dad wollte mich sehen. Und ich sehnte mich nach ihm.
Ich wusste, dass Großmutter am Telefon war, und dachte, irgendwas Schlimmes musste passiert sein. Mum meinte, ich solle mich hinsetzen, und dann erzählte sie mir, Dad sei wegen eines kleinen Diebstahlvergehens im Gefängnis und ich solle nach Mailand kommen und ihn besuchen. Sie sagte aber auch: »Du musst nicht fahren, Marisa. Keiner kann dich dazu zwingen, wenn du nicht willst. Wenn du sagst, du hast zu viel Angst davor, in ein Gefängnis zu gehen, erzähle ich das Großmutter, und sie gibt das an deinen Vater weiter.«
Sie wollte, dass ich eine Ausrede erfand, aber wir wussten beide, dass man Großmutter gehorchen musste. Was sie verlangte, war wie ein königlicher Befehl. Und ich wollte ohnehin die Reise antreten. Ich vermisste Großmutter, vermisste meine Familie. Ich vermisste die Kultur, das Leben dort. Außerdem kam ich in Italien mit allerlei Sachen durch, denn meine Großmutter war nicht annähernd so streng wie Mum.
Mum gab nach. Ihr blieb gar keine andere Wahl. Sie setzte eine tapfere Miene auf, aber irgendwelche Dummheiten würde sie nicht dulden. Sie plante, nach Italien zu reisen, Dad zu besuchen und dann sofort wieder nach Lancashire zurückzukehren, wo sie sich sicher und geborgen fühlte. Die ganze Sache sollte nicht allzu lange dauern. Wir reisten im August 1983, nur wenige Wochen nachdem Dad in Manhattan bei Rot über die Ampel gefahren war.
»Marisa! Jetzt beeil dich aber!« Die bevorstehende Reise machte Mum nervös. Ihr Englisch nahm immer mehr den Akzent von Blackpool an. »Marisa! Zum allerletzten Mal …«. Sonst, wenn ich morgens zur Schule musste, klang ihre Stimme immer wie die Rice Krispies von Kelloggs – sie überschlug sich, krächzte und zerplatzte schließlich vor Frust, wenn sie mich rechtzeitig zur ersten Stunde aus dem Haus zu bekommen versuchte.
An diesem Tag war sie noch aufgeregter. Ich war spät dran, hörte Duran Duran, machte mir die Haare und überlegte, ob ich das richtige Oberteil angezogen hatte. Passten auch die Schuhe dazu? Ich wollte gut aussehen. Ich war schließlich dreizehn Jahre alt.
Das Taxi wartete. Vom Schlafzimmerfenster aus sah ich den Fahrer eine
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