Mafia Princess
und meinte lachend: »Ach, Marisa, denk nicht weiter dran. Das hat doch alles nichts mit dir zu tun. Dich haben sie nicht mitgenommen, weil sie wissen, dass du Emilios Tochter bist. So leben wir nun mal.«
Und so würde ich auch leben, wenn ich mit Bruno in Mailand bliebe. Das war meiner Mutter klar, und als sie über einen Cousin Gerüchte über die Drogenrazzia und die Verhaftungen hörte, kam sie mich holen. Sie musste mit dem Zug kommen – schließlich war ich diejenige, die in schicken Autos herumraste und luxuriös lebte –, denn einen Flug konnte sie sich nicht leisten. Sie verlangte, dass ich auf der Stelle mit ihr nach Hause käme. Ich schrie sie an und erklärte, ich wolle bleiben. Ich wollte mich nicht von ihr herumkommandieren lassen, doch sie hatte einen Trumpf als Argument: Bis ich achtzehn war, musste ich tun, was sie wollte. Ich hatte keine Wahl, ich musste mit zurück nach Blackpool.
Mum war so wild entschlossen, mich herauszuholen, dass sie sogar zwei Flugtickets nach Manchester kaufte. Vor meiner Abreise traf ich mich noch einmal mit Bruno. Wir konnten uns nur noch verabschieden, mehr Zeit hatten wir nicht.
Zuhause machten sich Mum und ich gegenseitig das Leben schwer. Sie gab sich Mühe, wollte sich um mich kümmern, aber ich sah das ganz anders. Nicht ein Mal setzte sie sich zu mir und sagte: »Du kommst in Kontakt mit Mord und Drogen und allem, was damit in Zusammenhang steht. Du kannst dabei umkommen.« Sie sagte lediglich: »Dein Vater ist ein Gangster.« Gerade davon wollte ich aber nichts hören. Was immer sie auch sagte, ich schaltete meine Ohren auf Durchzug.
Tante Rita und Salvatore wurden wegen Drogenhandels zu je sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Großmutters Anwälte legten Berufung ein, und im Dezember 1987 kamen sie wieder auf freien Fuß. Tante Rita war ganz frei, Salvatore stand in Kalabrien unter Hausarrest. Das Leben ging weiter, es war alles ganz normal für sie. Und etliche Juristen aus Großmutters Bekanntenkreis hatten ein besonders üppiges Weihnachtsfest.
Als ich von der Freilassung hörte, begriff ich, dass die Familie zwar nicht immun war, Großmutter sich aber mit der ganzen Kraft ihrer unvollkommenen Moralvorstellungen um alle kümmerte.
Wie auch um sich selbst. Im März 1988, kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag, wurde Großmutter auf Bewährung entlassen. Sie kehrte zurück in eine neue Dreizimmerwohnung an der Via Christina Belgioso, von wo aus sie ihre Geschäfte besser führen konnte. Die Wohnung glich dem Verkaufsraum eines eleganten Möbelgeschäfts, denn alles war funkelnagelneu. Und natürlich war alles gestohlen.
Sie hatte Kronleuchter, Marmorböden und Teppiche, die so dick waren, dass man sich beim Gehen von einem Zimmer ins andere wie im Dschungel vorkam. Stilmöbel überall, die von jungen drogenabhängigen Burschen, die Botengänge für sie erledigten, auf Hochglanz poliert wurden. Im Schlafzimmer hatte sie einen florentinischen Sekretär mit vielen Schubladen, in denen sie die wenigen Stücke aufbewahrte, die ihr lieb und teuer waren, eher Souvenirs als Wertgegenstände. Ihr Lieblingsstück stand oben auf dem Schreibtisch: eine glänzende schwarze elektronische Geldzählmaschine. Umgeben nur vom Einzigen, wofür sie eine Schwäche hatte – Dutzende von Parfümflakons in allen Formen und Größen, aus den Traditionshäusern Chanel, Dior, Fendi und Givenchy. Diese hatte sie über Jahre hinweg gesammelt.
Mit der Geldzählmaschine war sie in die Welt der Technik eingetreten, denn sogar ihre lebenslange Erfahrung, Bargeld mit Daumen und Zeigefinger zu zählen, rasanter als der schnellste Bankkassierer, konnte mit ihrem Umsatz nicht Schritt halten. Dieses Gerät zählte das Geld und sortierte es gleich in alle gewünschten Beträge, dicke Stapel Banknoten, die in ähnlichen Zellophanbeuteln wie die Riesenmengen an Heroin verpackt wurden.
Großmutter hatte ihr System, ihre Prioritäten. Drogen wurden in der Küche abgewogen, neben den Schalen mit Auberginen und Zucchini, Bargeld dagegen in der nach Parfüm duftenden Umgebung ihres Boudoirs. Nichts stand ihrer Rückkehr in das Leben vor dem Gefängnis im Weg. Nicht einmal die Polizei in ihrem Haus.
Ezio Dorigatti, der Polizist, der dafür zu sorgen hatte, dass Großmutter sich gesetzestreu verhielt und entsprechend der Bewährungsbestimmungen lebte, berichtete nie über etwas Ungesetzliches. Er stellte kein Problem dar. Nicht einen einzigen Moment lang. Wieso sollte er auch? Großmutter
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