Mafiatochter
wollte, begleitete ich meinen Vater zum Haus.
Mein Vater war ganz aufgeregt, und während wir auf den Landschaftsarchitekten warteten, zeigte er mir, wo dieser und jener Baum hinversetzt würde, und beschrieb mir, wie sie zu den unterschiedlichen Jahreszeiten aussehen würden. Seine Geschäftspartner Onkel Eddie und Huck sowie ein paar andere von seinen Leuten waren ebenfalls mit zu der großen Präsentation gekommen. Der Architekt brachte riesige Papierrollen mit Zeichnungen und Diagrammen an, über die er jede beliebige Variante legen konnte. Schließlich war es an der Zeit, übers Geld zu reden.
Auf einmal veränderte sich die Stimmung. Mein Vater starrte auf das Blatt mit der Kostenschätzung, dann sah er den armen Kerl mit Feuer in den Augen an. »Karen, geh nach drinnen«, befahl er mir abrupt. Zögernd folgte ich seiner Anweisung, nahm jedoch einen Platz am Fenster ein, von dem aus ich alles sehen und hören konnte.
»Du verarschst mich, oder?«, hörte ich Papa den verblüfften Mann anbellen. Ich konnte sehen, dass es der Typ langsam mit der Angst bekam. Er ruderte zurück und rechtfertigte sich, so gut er konnte.
»Nun, Sammy«, erklärte er. »Dieser Baum da muss erst im Hinterland ausgegraben werden, der da wird aus einem anderen Teil des Landes importiert, und dieser Baum hier ist eine besondere Züchtung.« Und so weiter.
Mein Vater war außer sich. »Willst du mich verarschen? Ich sollte dich hier und jetzt erschießen! Willst du mich berauben?«, wiederholte er immer wieder. Der Architekt hatte Angst. Wenn mein Vater in Rage geriet, bekamen alle Angst. Ich konnte sehen, wie der Architekt weinend auf dem Fenstersims saß und um sein Leben flehte. Dann nahm mein Vater die Pläne und riss sie in Stücke. Schließlich fanden sie dann doch einen Kompromiss, indem sie einige der teureren Bäume durch billigere Pflanzen ersetzten, doch hatte der Mann eines gelernt, was ich bereits wusste: Versuch’ nie, Sammy the Bull über den Tisch zu ziehen.
Wenn es um die Kosten ging, war mein Vater sehr fair. Dafür erwartete er auch von seinen Geschäftspartnern, dass sie ehrlich und reell arbeiteten. Der Landschaftsarchitekt wollte ihn übervorteilen, ohne zu wissen, wie penibel mein Vater auf jeden Kostenpunkt achtete. Nur, weil er eine Menge Geld hatte, war er noch lange kein Verschwender. Mein Vater wiederum hatte schlicht keine Vorstellung davon, wie viel sein hochfliegender Plan für das Grundstück tatsächlich kosten würde. Ich glaube nicht, dass ihm bewusst war, wie teuer ein einzelner Baum sein konnte. Somit waren beide Männer falsch an die Sache herangegangen. Papa war jemand, der wenig Geld auf seine Kleidung verwendete, aber wenn es um seine Häuser ging, scheute er keine Kosten. In dem Augenblick jedoch, in dem man versuchte, ihn für dumm zu verkaufen, bereute man es meist auch schon. Er war sehr großzügig, wenn es ums Zahlen ging, aber er war auch jemand, der den Wert eines Dollars kannte und sich nicht übervorteilen lassen wollte. Selbst heute überwacht er vom Gefängnis aus für mich die Kosten und achtet darauf, dass niemand versucht, mich über den Tisch zu ziehen.
Das erste Mal, dass ich John Gotti begegnete, war bei der Besprechung in unserem Haus kurz nach dem Attentat auf Paul Castellano. Ich hob den Telefonhörer ab, und eine männliche Stimme am anderen Ende sagte: »Wer ist dran?«
»Karen«, antwortete ich, und der Mann sagte: »Hallo Karen, hier ist dein Onkel John. Ist dein Vater zu Hause?«
Ich wusste, dass dies der Mensch war, den ich nach Pauls Tod so oft in den Zeitungen und Fernsehnachrichten gesehen hatte. Er interessierte mich, mit seinem Selbstbewusstsein und seinem eleganten Schick. Er war wie ein Filmstar für mich, eine prominente Persönlichkeit. Er fuhr glänzende Lincoln Town Cars und hatte viele Leute um sich. Er wirkte sehr wichtig. Von diesem Telefonat an war John in Papas Leben präsent. Wenn John etwas brauchte, sprang mein Vater herbei. Es schien, als würde nun alles viel stärker reguliert. Wir hatten immer um 17.30 Uhr gemeinsam zu Abend gegessen. Nun musste Papa um 17 Uhr zu Abend essen, weil er sich um 18 Uhr mit John im Gesellschaftsverein in der Mulberry Street in Little Italy traf.
Zu dieser Zeit wurde ich »Sammys Tochter«, aber es ging noch weiter. War man meinem Vater bislang mit Respekt begegnet, so wandelte sich dieser nun zu einem Respekt, der mit Angst verbunden war. Es war das erste Mal, dass ich Menschen sah, die vor ihm Angst hatten,
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