Mafiatochter
glücklicherweise auf sie eingetragen waren. Wir packten alles ein, was wir noch mitnehmen wollten und verschenkten den Rest an Verwandte und Nachbarn. Ein großer Teil des Mobiliars gehörte Lee, also luden wir es für unser neues Zuhause auf den Umzugslaster.
Das einzig Tröstliche an dem ganzen Unterfangen war für mich, zu wissen, dass ich bald wieder bei Mama und Gerard sein würde.
Lee und ich fanden eine Mietwohnung in einem Vorort von Phoenix im East Valley, gleich um die Ecke von Mamas Haus. Es war eine geräumige Zweizimmer-Einheit im ersten Stockwerk eines zweigeschossigen Hauses. Dazu gehörten auch ein von Palmen umstandener, herrlicher Swimmingpool und ein topmoderner Fitnessraum, die allen Mietern zur Verfügung standen. Die Miete war spottbillig, kein Vergleich zu New York. Die Lage war unglaublich.
Phoenix selbst war topfeben, aber umgeben von Bergen und Wüste. Mitten im Stadtgebiet lag der Camelback Mountain. Eine solche Vegetation hatte ich noch nie gesehen: riesige Kakteen, seltsam anmutende Yuccapalmen und jede Menge Wüstensalbei. Dort draußen schien es nie zu regnen. Jeder Tag war wolkenlos, blauer Himmel, keinerlei Luftfeuchtigkeit. Die Sonnenuntergänge waren schlicht unglaublich, mit Farbtönen von Rosa über Blau und anderen Schattierungen, die ich bei einem Sonnenuntergang in New York nie gesehen hatte.
Lee hatte genug Geld beiseite gelegt, damit wir eine Weile sorgenfrei leben konnten. Geplant war, später ein Haus und ein Geschäft zu kaufen und uns ganz in Arizona niederzulassen. Für kurze Zeit arbeitete ich bei Manhattan Bagels, dem Laden, den Mama und Gerard in Tempe betrieben. Bagels waren in Arizona schwer zu bekommen, und in der Stadt lebten viele Exil-New-Yorker, sodass Mamas Geschäft prächtig lief. Die Arbeit dort war eine gute Gelegenheit, mich auf meine neue Umgebung einzustellen und zu überlegen, welche Art von Geschäft Lee und mir vorschwebte.
Mein Traum von einem besseren Leben begann wahr zu werden. Lee und ich waren zusammen in Arizona und schmiedeten Pläne für ein eigenes Geschäft. Ich wollte nicht mit jemandem verheiratet sein, der ein Gangsterleben führte, daher hoffte ich, dass wir uns in Arizona eine bürgerliche Existenz aufbauen könnten. Aber es kam alles ganz anders.
Lee gelang es nicht, in Phoenix Geld zu verdienen, also flog er zurück nach New York, um Kohle heranzuschaffen. Er brachte sogar ein paar Jungs aus New York mit nach Arizona und begann dort, mit ihnen Verbrechen zu begehen. Er hatte einen Hang zu kriminellen Aktivitäten. Er war nicht für die Arbeit geschaffen; er liebte das Gefühl, mit Beute davonzukommen.
Lee wusste zwar, wie man illegal zu Geld kam, aber nicht, wie man es vermehrte. Mein Vater war da ganz anders: Obwohl Papa in jedem seiner Geschäftszweige der Chef war, hatte er keinerlei Probleme damit, selbst zu arbeiten. Er ging trotzdem jeden Tag ins Büro. Mein Vater folgte gerne einer Struktur. Diese Qualität ließen die Straßengangster von heute vermissen; sie waren unstrukturiert.
Als wir nach Arizona zogen, war mein Vater dort noch inhaftiert, doch er wurde bald entlassen. Während er im Gefängnis gesessen hatte, war in mir die Sehnsucht nach einer neuen Beziehung zu ihm aufgekommen. Einmal hatte ich ihn besucht, aber es war sehr steif gewesen. Ich vermisste ihn, war aber immer noch sehr zornig auf ihn. Ich kam über das Ganze einfach nicht hinweg.
Lee und ich versuchten immer noch, in Phoenix Fuß zu fassen, als mein Vater Anfang 1995 aus der Haft entlassen wurde. Er wurde unverzüglich in ein Zeugenschutzprogramm des Bundes nach Boulder, Colorado, verfrachtet, wo er sich vollkommen neu erfinden sollte.
Als Papa freikam, rief er mich an. Meine Wut begann zu verfliegen, und ich war gewillt, unsere Beziehung zu kitten, wollte aber meinen Standpunkt nicht völlig aufgeben. Ich war mittlerweile in meinen Zwanzigern und fand, ich müsse ihm meine Unabhängigkeit beweisen. Ich nahm seine Kooperation mit der Regierung sehr persönlich, als hätte er mich in Stich gelassen. Immerhin hatte seine Entscheidung mein ganzes Leben verändert. Er drängte mich immer, aufs College zu gehen und mir eine eigene Karriere aufzubauen, aber ich wollte das nicht hören. Wenn ich bereit wäre, würde ich schon etwas Passendes finden. Ich wusste ja, dass er es nur tat, weil er sich ein besseres Leben für mich wünschte. Aber ich blieb stur. Es war nicht meine Absicht, seine Gefühle zu verletzen, aber er hatte meine verletzt.
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