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Mafiatod

Mafiatod

Titel: Mafiatod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald E. Westlake
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herumgestoßen wird und weiß, wann man machtlos ist.
    Der Apparat hatte unter der Wählscheibe eine Reihe Knöpfe. Ich drückte auf den Knopf mit der Aufschrift INTERN. Nichts geschah. Ich wählte die Null. Noch immer ereignete sich nichts. Ich wählte eine andere Nummer. Ein Mann meldete sich, und ich sagte: »Welche Nummer hat Samuel noch mal? Ich hab’s vergessen.«
    »Acht«, antwortete er.
    Ich brach die Verbindung ab und wählte die Acht. Ein alter Mann meldete sich. Ich sagte: »Ich bin Willard Kellys Sohn. Ich bin nicht so dumm wie Andrew McArdles Sohn, sitze aber in seinem Büro fest.«
    Eine Pause trat ein, und dann fragte die trockene Altmännerstimme: »Wie war der Name?«
    »Sie haben sich nicht verhört. Willard Kelly.«
    »Ist Lester dort?«
    »McArdle junior? Ja.«
    »Sagen Sie ihm, er soll Sie in mein Büro bringen.«
    »Sagen Sie es ihm selbst. Mir wird er nicht glauben.«
    Ich streckte Lester den Hörer hin. Er nahm ihn, als ob der Hörer ihn einmal gebissen hätte. Er lauschte, stimmte zu, legte auf und sagte zu mir: »Sie hätten etwas höflicher sein können.«
    »Nicht zu Ihnen.«
    Er führte uns durch einen Flur, der auf der einen Seite grün, auf der anderen rostbraun war. Weiße Decke, schwarzes Linoleum. Pastellfarbene Türen. Die Tür am Ende des Flurs war gelbbraun, und es stand nichts darauf. Lester übergab uns einer Brünetten mit Hüfthalter und zementierter Frisur. Sie ließ die Finger über ein paar Knöpfe an ihrem Schreibtisch tanzen, dann durften wir hinein.
    Als Kind glaubte ich an einen Papst in der Geschäftswelt. Ich stellte mir eine strenge merkantile Hierarchie vor, zuunterst Gemüseläden und Kinos, in der Mitte Fabriken und Lager, zuoberst die Börse. Und das Ganze wurde von einem Geschäftspapst geleitet. Der Geschäftspapst war in meinen Augen ein zusammengeschrumpfter, uralter weißhaariger Pluto in einem schwarzen Klubsessel. Ein schwarzbemützter Chauffeur zu seiner Linken, eine weiß gekleidete Krankenschwester zu seiner Rechten. Jede Furche in seinem Gesicht verzeichnete ein Jahrzehnt an Boshaftigkeit, Grausamkeit und Verfall. Ich wusste genau, wie er aussah.
    Das war Samuel Krishman. Ohne Chauffeur und ohne Krankenschwester. Schwarzer Drehstuhl aus Leder. Ein Schreibtisch aus so warmem Mahagoni, dass er glühte. Braune Schreibunterlage. Zwei schwarze Telefone. Papiere, die so diskret waren, dass sie sich schämten, weiß zu sein.
    »Verzeihen Sie, dass ich sitzen bleibe«, sagte er. Sechs Wörter, die er gedankenlos äußern konnte, während er uns musterte. Er wies mit knorriger Wurzelhand auf zwei braune Klubsessel. Seine Manschettenknöpfe waren runde Goldmünzen mit Römerprofilen.
    Er sah mich an. »Sie sagen, Sie sind Willard Kellys Sohn?«
    »Wir beide. Das ist Willard junior. Ich bin Raymond.«
    Die blassen Augen schweiften zu Bill und zurück zu mir. »Sie sind der Sprecher. Sie sprachen mit mir am Telefon.« Das war leicht. Ich sah ihn an, Bill sah mich an.
    »Mein Vater hat einmal hier gearbeitet«, sagte ich.
    Er lächelte. In einem Entenschnabel hätte das untadelige falsche Gebiss mindestens ebenso fehl am Platz ausgesehen. »Nicht hier, um genau zu sein. Damals war unsere Kanzlei im Geschäftsviertel.«
    »Er fing im August 1930 bei Ihnen an.«
    »Wahrscheinlich. Ungefähr.«
    »Einmal schrieb die Times über ihn, anlässlich des Prozesses gegen Morris Silber.«
    Diesmal teilte das Lächeln seine Lippen nicht. Es sah echter aus. »Daran erinnere ich mich. Willard war ganz verlegen. Ein schüchterner junger Mann. Anders als sein Sohn.« Für ihn war Bill überhaupt nicht vorhanden.
    »Er kam noch einmal in die Times«, sagte ich. »Vor zwei Monaten. Sie haben es wohl nicht gelesen?«
    Dünne Brauen krochen die gefurchte Stirn hinauf. »Nicht dass ich mich erinnere. Vielleicht ist es mir entgangen.« Das Lächeln ließ den Mund wieder aufspringen. »Ich lese heutzutage wenig, außer den Todesanzeigen und Nachrufen.«
    Jetzt hatte ich das System erfasst. Wenn er die Zähne zeigte, war das Lächeln unecht. Ich antwortete: »Es stand nicht auf der Seite mit den Todesanzeigen; aber es ging im Grunde um dasselbe. Er wurde getötet.«
    »Getötet?«
    »Erschossen. In einem fahrenden Wagen aus einem fahrenden Wagen. Ich war dabei.«
    »Ach. Erkannten Sie den Schützen?«
    »Ich werde ihn finden.«
    »Ich verstehe.« Seine Hände krochen über die braune Schreibunterlage wie blind aufeinander zu und verschränkten sich. »Deswegen sind Sie hier. Sie wollen

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