Mafiatod
aufgezogenen Schubladen der Kommode waren leer. Aber im anderen Schlafzimmer entdeckte ich im Schrank und überall verstreut Bills Sachen; er war also nicht ausgezogen. Er brachte nur sein Kind irgendwohin, wahrscheinlich zu Tante Agatha.
Wir setzten uns in die Essecke, tranken Bills Bier und spielten mit Bills Karten Gin Rummy. Der blauschwarze Revolver wirkte seltsam auf der rosa gemusterten Resopalplatte. Der Mann verlor die ganze Zeit. Er konnte sich nicht auf das Spiel konzentrieren. Immer wieder bat er mich, ihn laufen zu lassen. Dabei glaubte er selbst nicht daran, dass er mich umstimmen könnte.
Das Fenster der Essecke ging auf den Hinterhof. Draußen brach allmählich die Nacht herein. Durch die Tür sah man auf der anderen Seite das Wohnzimmer, hinter dessen Fenster es ebenfalls dunkel wurde. Die nächste Straßenlaterne war ziemlich weit entfernt, aber wir sahen das bernsteinfarbene Licht aus dem Wohnzimmer des Nachbarhauses.
Bill kam nach zehn Uhr. So, wie er die Auffahrt hochfuhr, schien er betrunken zu sein. Als Student hatte er einen Pontiac mit einem Mercury-Motor und ohne Rücksitz besessen und war damit Geländerennen gefahren. Meistens war er dabei betrunken gewesen und hatte häufig gewonnen. Im nüchternen Zustand war er ein guter, harter Fahrer. Betrunken schnitt er die Kurven.
Er kam mit weit aufgerissenen Augen herein. Die blaue Basketballjacke hing ihm schief über dem T-Shirt. Er sah mich kopfschüttelnd an und lehnte sich an die Küchenwand. »Das darfst du nicht tun«, sagte er mit zitternder Stimme. »Mein Gott, so etwas darfst du nicht tun. Ich dachte, es wäre Ann.« Er drückte sich die bebende Hand an die Brust.
Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Wer, außer seiner Frau, hätte im hell erleuchteten Haus auf ihn warten können? Ich erhob mich, wobei mir gerade noch rechtzeitig der Revolver einfiel. »Ich hab nicht dran gedacht, Bill.«
»Mein Gott«, sagte er. Er schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er stieß sich von der Wand ab, machte den Kühlschrank auf und holte eine Bierflasche heraus, die ihm aus den Händen rutschte. Er schloss den Kühlschrank und bückte sich nach der Flasche.
Ich dachte, er würde vornüberkippen. Ich winkte meinem Gin-Rummy-Partner mit dem Revolver. »Gehen Sie und machen Sie ihm die Flasche auf«, befahl ich.
Er gehorchte. Bill sah ihm stirnrunzelnd zu. Er nahm die Flasche entgegen, trank daraus und fragte mich dann: »Wer ist das?« Er zeigte mit der Flasche auf den Fremden, so wie ich ihm mit der Knarre gewinkt hatte.
»Er hat mich beim Krankenhaus abgeholt«, erklärte ich. Ich erzählte ihm alles und schloss mit den Worten: »Und mehr will er nicht sagen.«
»So, will er nicht.« Bill nahm die Flasche in die linke Hand und versetzte dem Mann einen Schlag ins Gesicht.
Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Der Mann fiel nach einem einzigen Schlag um wie ein Sack Mehl.
»Das hast du prima hinbekommen«, sagte ich. »In diesem Zustand wird er bestimmt reden.«
»Ich wollte nicht so fest zuschlagen.« Bill trank die Flasche leer, stellte sie auf das Abtropfbrett und goss ein Glas Wasser ein.
»Ganz bestimmt nicht.« Ich legte den Revolver auf den Kühlschrank, kniete neben dem Bewusstlosen nieder und versuchte, ihn mit Ohrfeigen wach zu bekommen. Über die Schulter sagte ich: »Mach dir Kaffee. Du benimmst dich überhaupt nicht so, als wärst du drei Jahre älter als ich.«
»Es tut mir leid«, murmelte er. »Es tut mir leid, Ray. Ich tue mir selbst leid.«
»Seit wann?«
»Heute sind es zwei Wochen – Ann …« Er war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
»Mach Kaffee«, sagte ich, »drei Tassen.«
Der Mann auf dem Fußboden drehte den Kopf, um meinen Schlägen auszuweichen. »Hören Sie auf«, wimmerte er. »Hören Sie auf.«
»Stehen Sie auf«, befahl ich. »Er wird Sie nicht mehr schlagen.«
Er glaubte mir nicht, erhob sich aber mit unsicheren Beinen. Bill stand am Herd und beobachtete das Wasser, das noch nicht kochte. »Wenn du wieder Vernunft angenommen hast«, sagte ich, »komm ins Wohnzimmer. Bring den Kaffee mit.« Ich nahm den Revolver vom Kühlschrank.
»Es tut mir leid, Ray«, sagte Bill. »Himmel, es tut mir leid.«
»Wenn du zu flennen anfängst, haue ich wieder ab, und du kannst zusehen, wie du klarkommst«, sagte ich. Ich stieß den Mann ins Wohnzimmer. Wir machten Licht, setzten uns und blickten über die Straße, wo das Fenster auf der anderen Seite eine glückliche Familie
Weitere Kostenlose Bücher