Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht
zu dürfen. Ich nahm sein Angebot an, und er holte einen Wagen.
Er zeigte mir Industrieanlagen, Schulen, Privathäuser und Museen, und doch gab es weniger Neues, als ich es erwartet hatte. Die größten Veränderungen in den drei Jahrhunderten hatten sich im Inneren der Menschen zugetragen. Natürlich gab es Maschinen, die all die mühsamen Arbeiten verrichteten, und auch neue Gebäude und neue Produkte. Aber die Menschen betrachteten diese nur als angenehm und nicht als wichtig. Die Gebäude, der ganze Stil der Architektur, waren darauf gerichtet, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
Als wir an einem Leichtathletikstadion vorbeifuhren, kamen wir auf Laufrekorde zu sprechen, und ich erlebte eine ziemliche Überraschung. Ich hatte die Zivilisten als weich und schwach angesehen, ihren Pazifismus fälschlicherweise als Schwäche ausgelegt. Aber ich mußte entdecken, daß der gegenwärtige Rekord für eine Meile bei 2 Minuten, 3,8 Sekunden lag, und der Hundert-Meter-Sprint bei genau sieben Sekunden. Schuljungen sprangen am Stab über 5 Meter hoch. Das Speerwerfen hatten sie aufgegeben, als die Würfe so lang wurden, daß der Luftwiderstand mehr Einfluß ausübte, als der Werfer. Jetzt warfen sie nur noch Diskus über eine Entfernung von 77 m; das war ungefähr so weit wie der Rekord zu der Zeit, als ich noch jung war. Und fast jeder nahm an irgendeiner Sportart teil. Herr French sagte, daß sie die gewaltigen Rekorde der geistigen Kontrolle verdankten, denn sie waren nicht größer oder schwerer gebaut als die Menschen vorher. Ausgezeichnete physische Kondition war mehr eine Regel als eine Ausnahme, und im allgemeinen waren die Leute in besserer körperlicher Verfassung als meine Kriegskameraden.
Die Universitäten gaben keine Prüfungsbescheinigungen mehr aus. Man studierte, um Wissen zu erlangen, und besuchte immer wieder neue Kurse. Die Lehrgänge waren zu Vortragsserien geworden, und die Zeitungen veröffentlichten Listen der Wissensgebiete, die behandelt wurden.
Am späten Nachmittag erhielt Herr French über sein Taschenradio Nachricht, daß die Delegation von Fort Morris zurückgekehrt war, und wir begaben uns zur Stadthalle, um die Neuigkeiten zu erfahren.
Herr Kolar, der die Delegation angeführt hatte, schilderte den Oberst als einen, der in ein Dilemma geraten war.
»Er ist darauf trainiert, die zivile Kontrolle zu akzeptieren«, sagte er. »Zu tun, was die zivilen Autoritäten ihm sagen. Aber wir haben ihn aufgefordert, selbst ein Zivilist zu werden, und das ist etwas, was außerhalb seines Vorstellungsvermögens liegt.«
»Wie, glauben Sie, wird er sich entscheiden?« fragte Bürgermeister Karonopolis.
»Im Augenblick schwankt er zwischen der Pflicht, auf unseren Befehl zu warten, und dem Wunsch, das Startzeichen zu einem sofortigen Angriff zu geben. Sein Instinkt sagt ihm, daß wir unrecht haben, daß unsere Gesellschaft sich selbst betrügt, wenn sie meint, daß es keine Kriege mehr geben wird.«
»Entschuldigen Sie, Herr Kolar«, sagte ich. »Aber vielleicht sollte ich zur Truppe zurückkehren, vielleicht könnte ich die Männer über Ihre Gesellschaft aufklären und sie überzeugen.«
»Nein«, sagte er. »Die Soldaten wissen, was Sie getan haben, und sie halten Sie für einen Verräter. Sie würden nur Blutvergießen verursachen, sie vielleicht zum Handeln antreiben.«
»Es scheint«, sagte der Bürgermeister, »daß wir das Dilemma für den Oberst lösen müssen. Herr Fitzgerald, der Vorschlag kam von Ihnen. Fühlen Sie sich in der Lage, ihn auch zu verwirklichen?«
»Aber haben wir das Recht, sie zu manipulieren?« fragte ein weibliches Ratsmitglied.
»Vielleicht nicht«, sagte der Bürgermeister. »Aber auf lange Sicht scheint es die einzige Möglichkeit, sie zu schützen. Und schließlich dienen die Soldaten anerkanntermaßen dazu, die Gesellschaft zu schützen. Was sagen Sie, Herr Fitzgerald?«
Ein großer knochiger Mann mit einer Hornbrille erhob sich. »Ich werde es gern versuchen«, sagte er.
Er wählte zwei Männer aus, mit denen gemeinsam er den Raum verließ.
»Sie können hierbleiben«, sagte der Bürgermeister. »Herr Fitzgerald trägt in seiner Manteltasche einen Sendeapparat, so daß wie zuhören können.«
Wir machten es uns bequem und warteten darauf, daß Fitzgeralds Sendeanlage an den Lautsprecher im Zimmer angeschlossen wurde. »Wenn unser Plan gelingt, müssen Sie sich selbst entscheiden«, sagte der Bürgermeister. »Sie müssen sich darüber einig werden,
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