Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden
hervor.
»Passen Sie auf!« rief Linda.
»Das klang wie eine Explosion.«
»Da!« Sie deutete gegen Westen. »Sehen Sie?«
Ein Wolkenkratzer sank majestätisch in sich zusammen. Ziegel und Betonstücke flogen prasselnd nach allen Seiten. Die Stützbalken bogen sich und knickten um.
»Junge, Junge, ist das ein Anblick«, murmelte Mayo bestürzt.
»Der Aufstieg und der Fall einer kaiserlichen Stadt. Daran gewöhnt man sich. Und jetzt springen Sie ins Wasser, Jim. Ich hole Ihnen ein Handtuch.«
Sie lief ins Haus. Er zog seine Shorts und die Socken aus, stand aber noch immer am Rand und tauchte die Zehen ins Wasser, als sie mit einem riesigen Badetuch zurückkam.
»Es ist furchtbar kalt, Linda«, klagte er.
»Haben Sie denn nie kalt geduscht, als Sie noch Sport getrieben haben?«
»Nein. Immer kochend heiß.«
»Wenn Sie noch lange so dastehen, Jim, werden Sie nie hinein gehen. Sie zittern ja schon am ganzen Körper. Ist das eine Tätowierung da an Ihrer Hüfte?«
»Was? Ach das – ja. Es ist eine Pythonschlange – in fünf Farben. Sie geht ringsherum, sehen Sie?« Stolz drehte er sich einmal um sich selbst. »Habe ich mir machen lassen, als ich bei der Marine war – damals im Jahre 64 in Saigon. Es ist eine orientalische Schlange. Hübsch, was?«
»Hat es weh getan?«
»Ehrlich gesagt – nein. Manche Burschen tun so, als wäre es schlimmer als chinesische Foltern, aber das ist nur Angabe. Eigentlich juckt es mehr als alles andere.«
»Sie waren im Jahre 64 bei der Marine?«
»Stimmt genau.«
»Wie alt waren Sie da?«
»Zwanzig.«
»Dann sind Sie jetzt also siebenunddreißig?«
»Sechsunddreißig, aber ich habe bald Geburtstag.«
»Dann sind Sie also vorzeitig ergraut?«
»Anscheinend.«
Kritisch musterte sie ihn von oben bis unten. »Ich will Ihnen was sagen: Passen Sie auf, daß Sie Ihren Kopf nicht naß machen, falls Sie überhaupt noch hineingehen.«
Sie drehte sich um und lief zurück ins Haus, und Mayo, der sich seiner Unentschlossenheit schämte, sprang mit den Füßen zuerst in den Teich. Er stand bis zur Brust im Wasser und bespritzte sein Gesicht und die Schultern, als Linda zurückkam. Sie trug einen Schemel, eine Schere und einen Kamm.
»Ist es nicht ein wunderbares Gefühl?« rief sie ihm zu.
»Nein.«
Sie lachte. »Nun, dann kommen Sie heraus. Ich werde Ihnen die Haare schneiden.«
Er kletterte aus dem Teich, trocknete sich ab und setzte sich gehorsam auf den Schemel, während sie sein Haar schnitt. »Den Bart auch«, sagte Linda befehlend. »Ich möchte, daß Sie wirklich gut aussehen.« Sie schnitt ihm die Barthaare so kurz, daß er sich rasieren konnte, musterte ihn von allen Seiten und nickte dann befriedigt. »Ganz annehmbar.«
»Ach, nicht doch.« Er wurde im ganzen Gesicht rot.
»Auf dem Herd steht ein Topf mit heißem Wasser. Rasieren Sie sich. Sie brauchen sich gar nicht erst anzuziehen. Nach dem Frühstück besorgen wir neue Kleidung für Sie, und dann ... das Klavier.«
»Ich kann doch nicht splitternackt durch die Straßen spazieren«, protestierte er schockiert.
»Seien Sie nicht albern. Wer soll Sie denn sehen? Aber jetzt beeilen Sie sich.«
Sie fuhren zu Abercrombie & Fitch auf der 45. Straße. Mayo wickelte sich verschämt in das Badetuch. Linda erzählte ihm, daß sie schon seit Jahren hier ein guter Kunde wäre; sie zeigte ihm die Stöße von Verkaufsabschnitten, die sich hier angesammelt hatten. Mayo blätterte sie neugierig durch, während sie seine Maße nahm und auf die Kleidersuche ging. Er war fast entrüstet, als sie vollbeladen zurückkehrte.
»Jim, ich habe ein Paar wunderschöne Elchmokassins gefunden und einen Safarianzug, dazu Wollsocken und Matrosenhemden und –«
»Hören Sie zu«, unterbrach er sie, »wissen Sie denn überhaupt, wie hoch die Rechnung wird? Fast eintausendvierhundert Dollar.«
»Wirklich? Ziehen Sie zuerst die Shorts an. Sie sind ganz trocken.«
»Sie müssen den Verstand verloren haben, Linda, wozu brauchen Sie denn den ganzen Plunder?«
»Sind die Socken groß genug? Welchen Plunder? Ich habe das alles gebraucht.«
»Ja, wirklich? Etwa auch ...« Er schlug mit der flachen Hand auf die unterzeichneten Quittungen. »... ein Unterwasserfernrohr mit Plexiglaslinsen, neun Dollar fünfundneunzig? Wofür?«
»Damit ich den Grund des Teiches säubern konnte.«
»Und was ist mit dem rostfreien Stahlbesteck für vier Personen zu neununddreißig Dollar fünfzig?«
»Das ist für den Fall, daß ich einmal zu faul bin,
Weitere Kostenlose Bücher