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Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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Mutter«, rief David und hielt meine beiden Hände fest. »Wir brauchen dich. Wir können dich nicht gehen lassen. Die Sehnsucht, die uns bald nach der Heimat überfallen wird.«
    »Wie können wir wissen, was wir während der Überfahrt alles durchzustehen haben?« fragte ich. »Aber was immer auch geschehen mag, es besteht eine Chance für ein neues Leben, das irgendwo auf euch wartet. Aber für mich – in vier Tagen, was soll in vier Tagen geschehen, wenn ich empfangen werde? Was wollt ihr mit meinem leeren Körper tun? Was könntet ihr anderes tun, als ihn hinauszustoßen – in das schwarze Nichts. Laß ihn in der Heimat. Laß ihn wenigstens zu Staub werden zwischen vertrauten Dingen!« Ich war so erregt wie ein Kind. »David! Wieder mit Thann zusammen zu sein!«
    Ich drehte mich zu Lytha um und löste schnell ihren Gurt. »Dann wird auf diesem Schiff ein Platz frei sein«, sagte ich.
    Wir blickten einander in die Augen, und dann, fast schneller, als ein Gedanke es vermag, war Lytha aufgesprungen und lief auf die große Tür zu. Meine Gedanken eilten ihr voraus, und bevor Lythas Füße sie hinausgetragen hatten, wußten alle Alten in dem Schiff, was passiert war. Kaum war Lytha den kleinen Hügel halb hinaufgelaufen, der die Schiffe voneinander trennte, kam ihr Timmy entgegen und drückte sie fest an sich. Dann kamen sie beide auf unser Schiff zu.
    Wie eisige Tropfen verrannen die Minuten der letzten halben Stunde, aber endlich löste ich mich von dem Schiff, meine Wangen waren von den Tränen meiner Familie benetzt. Deutlich hörte ich hinter dem Klicken der sich schließenden Tür Simons Ruf. Lebe wohl, Großmutter! Ich habe dir versprochen, daß alles gut wird. Bis auf – bald!
    Beeil dich, beeil dich! flüsterten meine Füße, während ich lief. Schnell, schnell, schnell, flüsterte der Wind, als ich mich von dem übermächtigen Schiff entfernte. Jetzt, jetzt, flüsterte mein Herz, als ich mich aus einer sicheren Entfernung heraus noch einmal zu ihm umdrehte.
    Die sechs schlanken Schiffe, die gegen den Himmel gerichtet waren, sahen jetzt wie Silbernadeln aus. Über ihnen rollten schwere schwarze Wolken hinweg. Plötzlich waren es nur noch fünf – dann vier – dann drei. Und bevor ich nur die Tränen aus den Augen wischen konnte, waren alle verschwunden, und der Boden, auf dem sie gestanden, wirkte kahl, verlassen und leer.
     
    Die Musik zog mich zurück zum Haus. Tief atmete ich den vertrauten süßen Duft ein. Mit liebevollen Händen ordnete ich ein paar Zweige in den Vasen. Ich stemmte mich gegen den Boden, als plötzlich alles um mich herum zu beben und zu schwanken begann, und setzte meinen Schutzschirm in Funktion, als schneidender Hagel durch die Fenster prasselte. Ich blickte hinaus, tiefer Friede erfüllte mich. Ich ließ die Blicke über die braunen Hügel schweifen, bis zu den schneebedeckten Spitzen, zu den Baumgruppen, die ihre kahlen Äste gegen den eisigen Wind streckten. »Meine Heimat!« flüsterte ich. Und wußte gleichzeitig, wie furchtbar und einsam ich mich gefühlt hätte, wäre ich, ohne gerufen zu sein, allein zurückgeblieben.
    Mit einem Seufzer ging ich in die Küche und zählte die vier rosigen Eier in der Schale. Ich fachte die Flamme im Herd an und zerschlug eins davon an dem Rand der Pfanne.
    In dieser Nacht kamen keine Sterne auf, aber die schweren Wolken waren erfüllt von verhaltenem Donner und hellen Blitzen, und irgendwo weit hinter dem Horizont erstrahlte eine Bergkette glühend rot und orange. Ich lag auf dem Bett, eingehüllt in Schwäche, die mich wegzutragen drohte, aber ich wußte, daß alles bald zu Ende sein würde. Die Seele ist zu allen Zeiten einsam, aber das Wissen darum, daß ich die Letzte unseres Volkes in einer sterbenden Welt war, lastete schwer auf mir. Ich kämpfte gegen meine Gefühle an, als ich einen klaren, deutlichen Ruf vernahm.
    »Großmutter!«
    »Simon!« Meine Lippen formten seinen Namen.
    »Uns geht es allen gut, Großmutter. Und ich habe gerade Eva mit zwei eigenen Kindern gesehen. Jetzt weiß ich, daß sie eine neue Heimat finden werden.«
    »O Simon! Ich bin so froh, daß du mir das gesagt hast!« Ich klammerte mich an mein Bett, das plötzlich zu schaukeln begann. Ich hörte Steine in den Garten prasseln, dann löste sich die eine Wand meines Zimmers in Staub auf, der rot aufleuchtete, bevor er zu Boden sank.
    »Hier beginnen die Dinge ein wenig durcheinanderzugeraten«, sagte ich. »Ich muß mir eine neue Decke holen. Mich

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