Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

hast recht! Ja! Jeder Käfig hat Knöpfe!«
    »Großer Gott, Zwei! Es ist alles in Ordnung!« Eins lachte und langte blind mit einer Pfote vor, als wollte er Zwei am Kopf streicheln, so wie er es einmal bei den Menschen beobachtet hatte. Er grinste breit und schlug mit dem Schwanz einen kleinen Kreis.
    »Was?«
    »Es ist eine 709!«
    »Was ist das, eine ...«
    »Eine Lehrmaschine, du Idiot!« Dies war der Sieg! Dreißig Jahre hatte es gedauert, ehe der Lernprozeß hatte voll automatisiert werden können. Zwanzigtausend Stunden waren nötig gewesen, um das Universalprogramm zu entwickeln. Und nun gab es keine Schulungsprobleme und keinen Lehrermangel mehr; die Lehrmaschinen stehen bereit. Jeder, von welcher Bildungsstufe er auch ausging, konnte alles und jedes lernen – solange er nur genügend Ausdauer mitbrachte. »Warum kann Johnny nicht Sanskrit lesen?« so stand es in einem Inserat von Abel & Forbes, J. Res. Soc. Am. 33, 1962.
    »Weil er keine 709 besitzt!«
    Also war es doch eingetreten. Darauf hatte er hingearbeitet – dafür hatte er trainiert – dafür hatte er sich einsperren lassen ... Einsperren? Eins versuchte die Erinnerung zu unterdrücken, aber es war schon zu spät. Jetzt erinnerte er sich ... Es war nicht Ediths Unbeholfenheit gewesen, an jenem Tag im Labor, die sie die Säure hatte verschütten lassen – als er erblindet war! Es war Alan Lister gewesen und ihre Umarmungen und Küsse, ihr atemloses: »Ja, Alan! Oh, ja! Ja!« – Und wie sie sich einander gedrückt und liebkost hatten, während er am Gitterwerk lag und quietschte: »Edith! Edith!« und dann die Säure und der Nebel vor seinen Augen, der nicht mehr schwand, die schlaflosen Nächte, in denen er an sie und Alan Lister dachte, an die Zärtlichkeiten, die sie ausgetauscht hatten. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr, Edith! Nimm deinen Alan – ich habe meinen ...!
    Helle Aufregung verbreitete sich in den Käfigen, als sich herumsprach, daß Fred Eins über irgend etwas aufgebracht war. Aber das kümmerte ihn nicht. Sie würden sich schon wieder beruhigen. Sie konnten durcheinanderrasen, so wie man es von Ratten erwartete. Sie würden die Grundlage für seine Vollendung bilden, die Abszisse für seine Ordinate, die stumme Begleitung für seine virtuosen Improvisationen. Zwei würde sich um sie kümmern, würde ihnen Befehle erteilen. Das mochten sie. Sie waren Ratten. Käse, Seuchen, Fruchtbarkeit und Freiwild. Nachdem er den letzten Rest seines dahinschwindenden Schuldgefühls abgeschüttelt hatte, bedauerte er nicht länger seine Unfähigkeit, sie zu riechen oder zu sehen. Häßliche trampelnde Wesen mit nackten Schwänzen! Fred Eins würde sich mit seiner eigenen Art zusammentun! Das Leben war kurz, und Ratten waren billig, aber ein fähiges Gehirn kann die Sterne bezwingen; die 709 sollte sich nur bereit machen! Fred Eins kicherte in sich hinein, als er sich vorstellte, wie die ersten Programmierungen auf Rattenebene gebracht wurden: Grad zwei – Belohnung mit Wasser; drei – mit Nahrung; fünf – mit Schmerz. Und dabei bist du mit dem Computer ganz auf dich allein gestellt. Na, und wenn schon. Wie steht es mit Vielfachen – oder mit Kubikzahlen – von zwei, drei, fünf? Würde er bis zu dreißig kommen – dem Vielfachen dieser drei Zahlen? Oder warum sollte er überhaupt in diese Richtung gehen? Fred Eins konnte Quadratwurzeln ziehen, aber niemand wußte es. Ein sich selbst organisierendes System war gezwungen, ihn so weit kommen zu lassen, so weit es möglich war. Er lehnte sich gegen das Gitter, wischte die eifrigen Fragen von Zwei beiseite und blinzelte den Computer durch glasige Augen an. Um wie viel würde er ihn weiterbringen? Wie weit konnte er gehen? Eins hielt den Atem an und flüsterte etwas vor sich hin, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. Er wurde in der Tat sein eigenes System programmieren – ein sich selbst organisierender Computer reagiert auf das, was ihm angeboten wird. Er macht keinen Unterschied zwischen Ratten und Menschen!
    Fred Eins begann zu zittern. Es gab noch bessere Aussichten! Wenn der Computer so organisiert war, daß er ihm immer voraus sein würde, dann wurde Eins zuerst lehren, dann lernen, wieder lehren, dann wieder lernen – so schnell wie die Stromkreise funktionierten. Es gab keine Grenze mehr.
    Fred Eins lehnte sich lächelnd gegen das Gitter. Was wünschten seine menschlichen Kollegen mit ihren weißen Mänteln und Pfeifen? Die Beta 2 -Faltung der Eiweißkette? Den