Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt
wage zu behaupten, er liegt gerade im tiefsten Schlaf.«
»Aber es ist dringend. Ich kann nicht bis morgen warten.«
»Dann müssen Sie ihn eben zu Haus anrufen. Die Telefonnummer finden Sie im Buch.« Ich legte den Hörer auf. Ich bin ein durchaus geduldiger Mensch, aber alles hat seine Grenzen.
Nun, der Blitz soll mich treffen, wenn er in der nächsten Nacht nicht wieder anrief. Es war genau ein Uhr.
»Hallo, hier ist Prosser's Limited.«
»Mr. Prosser?«
»Nein. Sind Sie der Herr, der gestern nacht schon angerufen hat, Sir?«
»Gestern nacht? So, habe ich das getan? Ich muß unbedingt Mr. Prosser sprechen. Es ist dringend.« Seine Stimme klang, als hätte er gerade eine Meile in vier Minuten zurückgelegt.
»Aber er ist nicht hier, Sir. Es ist mitten in der Nacht. Ich bin Bill Brewer, der Nachtwächter.«
»Dann sind Sie also nicht Mr. Prosser?«
»Nein, Sir. Wenn es wichtig ist, dann müssen Sie ihn zu Hause anrufen, so wie ich es Ihnen schon gestern nacht sagte.«
»So, haben Sie das?« Es folgte eine lange Pause, während der er wie eine Dampfmaschine pustete.
»Können Sie ihm keine Nachricht hinterlassen?« fragte ich.
»Nein. Ich kann ihm keine Nachricht hinterlassen. Halt, legen Sie noch nicht auf.« Es überlief mich kalt, denn gerade in diesem Augenblick hatte ich den Hörer auflegen wollen, es kam mir vor, als blickte er über meine Schulter. »Legen Sie nicht auf. Bitte hören Sie mir zu. Sie müssen mir helfen.« Seine Stimme klang weinerlich, und zum erstenmal tat er mir ein wenig leid. Er sagte: »Sagen Sie Mr. Prosser ... sagen Sie ihm ...«, er schien zu zögern, dann aber sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus: »... sagen Sie ihm, seine Frau versucht, ihn zu vergiften.«
»Seine Frau versucht, ihn zu vergiften? Jetzt hören Sie einmal her, wer sind Sie eigentlich?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Richten Sie ihm aus, was ich Ihnen gerade aufgetragen habe.« Damit legte er auf.
Da befand ich mich in einer heiklen Situation. Wie sollte ich mich verhalten? Ich nahm einen tiefen Schluck aus meiner Flasche und schnitt mir ein Stück von meinem Schinken, den ich mir immer aus Freds Kneipe ganz in der Nähe hole. Sollte ich Mr. Prosser von dem Anruf erzählen oder nicht? In meiner Dienstzeit bei der Navy habe ich gelernt, Entscheidungen zu treffen. Das steht auch in meinen Entlassungspapieren: »... er hat eigene Initiative«. In der Navy bekommt man ein dickes Fell; man belästigt seinen Vorgesetzten nicht mit Problemen, mit denen man selbst fertig werden kann – und das war auch nur gerecht. Ich würde erst einmal abwarten, was sich das Wochenente über tat, beschloß ich, und ich schätze, ich hatte die richtige Entscheidung getroffen, denn am Samstag und Sonntag geschah nichts. Irgendein Verrückter, dachte ich.
Aber Montag nacht war er wieder da. Er fragte: »Haben Sie meine Nachricht weitergegeben?«
»Nein, das habe ich nicht getan. Was wollen Sie eigentlich, Mister? Wer sind Sie, und was bezwecken Sie? Sie gehen mir auf die Nerven ...«
»Sie haben es ihm nicht gesagt? Das müssen Sie. Oh, mein Gott ...« Er begann zu weinen. Zuerst war es nur ein Schluchzen, aber dann heulte er laut und schneuzte sich fortwährend. Es hörte sich an, wie wenn ein Hund heult, den man zu Unrecht gezüchtigt hat. Ich habe in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal einen Mann so heulen hören wie ihn, und zwar war das Sam Strangeways, als wir im Atlantik beschossen wurden, aber ich schätze, Sam hatte einen Grund zum Heulen, denn er hatte ein Bein verloren, und die Därme hingen ihm aus dem Bauch. Es hörte sich furchtbar an, aber ich konnte den Hörer einfach nicht auflegen, obgleich ich das brennend wünschte. Ich mußte der Sache auf den Grund gehen, oder aber es würde von jetzt an jede Nacht das gleiche sein.
»Jetzt hören Sie einmal her, Sir, beruhigen Sie sich und erzählen Sie mir mehr. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
Nach einer Weile ließ das Schluchzen nach. »Ja, bitte, helfen Sie mir. Sagen Sie Mr. Prosser, was ich Ihnen ausgerichtet habe. Seine Frau versucht, ihn zu vergiften. Er muß es erfahren, er muß gewarnt werden.«
»Aber zuerst muß ich wissen, wer Sie sind. Ich kann doch nicht einfach zu Mr. Prosser gehen und ihm bestellen, was Sie mir aufgetragen haben, ohne zu wissen, wer Sie sind. Können wir uns nicht irgendwo treffen?«
»Ja. Kommen Sie direkt hierher. Ich bin in einem Lokal, das die ganze Nacht über geöffnet hat, in der Nähe des Strandes bei der
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