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Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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freundlicher Stimme, und so meinte ich es auch, aber man hätte glauben können, ich hätte vorgeschlagen, ihn in eine Zwangsjacke stecken zu lassen, so wie er zusammenzuckte, sich aufrichtete und den Stuhl zurückschob. »Nein«, schrie er. »Ich kann nicht.« Dann blickte er auf seine Armbanduhr. »Großer Gott, sehen Sie doch nur, wie spät es ist.«
    Und bevor ich ihn aufhalten konnte, lief er hinaus. Sein Stuhl fiel polternd zu Boden. Der Jüngling sagte: »So ist es recht, Großvater. Beeil dich, vielleicht holst du sie noch ein. Nach drei Uhr: halber Preis.« Ich lief auch schnell hinaus, aber von dem Mann war nichts mehr zu sehen.
    Wenn ich mir einmal etwas vorgenommen habe, so führe ich es auch durch. Nach dem Frühstück telefonierte ich mit Miss Ellsmore, Mr. Prossers Privatsekretärin, die ich auch noch nicht kennengelernt hatte. Sie mußte etwa 1,75 m groß sein – das schätzte ich von der Höhe des Spiegels in ihrem Büro – blonde Haare und ein gutes Make-up haben, wie man aus den Kosmetika in ihrer Schublade ersehen konnte. Vierzig oder älter, wahrscheinlich, denn sie las The Economist und das Time Magazine. Und sie war sicherlich sehr ordentlich, denn in ihrem Büro stand nie etwas am falschen Platz.
    »Ja, Mr. Brewer?« Sie besaß gerade die richtige Note freundlicher Zurückhaltung wie das weibliche Personal bei der Admiralität.
    »Glauben Sie, daß ich Mr. Prosser sprechen könnte? Es handelt sich um eine persönliche Angelegenheit. Es dauert nicht mehr als ein paar Minuten.«
    Es entstand eine Pause, und ich fühlte, wie sie stirnrunzelnd den Terminkalender betrachtete: »Elf Uhr. Kommen Sie hierher, dann werde ich versuchen, Sie einzuschieben.«
    Elf Uhr paßte mir gut – das gab mir noch ein wenig Zeit, mich für meinen ersten Besuch beim Chef herzurichten. Miss Ellsmore war schlanker, als ich sie mir vorgestellt hatte, und auch hübscher. Und viel jünger, was beweist, daß man Frauen heutzutage nicht nach dem beurteilen kann, was sie lesen. Sie war nicht im geringsten unfreundlich, aber sie ließ mich meine Stellung merken. »Bitte, nehmen Sie doch Platz, Mr. Brewer.« Ich beobachtete sie, wie sie durch das Zimmer glitt und dann zur Tür, die in das Büro des Chefs führte.
    »Mr. Prosser läßt bitten«, sagte sie, als sie zurückkam.
    Ich zog meinen Schlips glatt und ging mutig durch die Tür. Dann blieb ich stocksteif stehen. Zwei mit roten Äderchen umrandete, wässerige, fahle blaue Augen starrten mich an.
    »Schließen Sie die Tür, Mr. Brewer.« Ich folgte seiner Aufforderung und stand stocksteif da. Ich glaube nicht, daß mich irgend etwas dazu gebracht hätte, mich zu bewegen. »Nun, Mr. Brewer, was kann ich für Sie tun?« Er kritzelte wild auf seinem Notizblock herum und gab kein Zeichen des Wiedererkennens von sich.
    »Es ist wegen meiner Bezahlung, Sir«, stammelte ich. »Ich habe mir gedacht, daß für mich vielleicht mal wieder eine Gehaltserhöhung fällig wäre, und ...«
    »Ihr Gehalt, Mr. Brewer?« Seine Lippen schoben sich vor. »Das ist nicht meine Sache, wissen Sie. Sie müssen deswegen zu Mr. Johnson gehen.« Dann widmete er sich wieder seinem Gekritzel, eifrig glitt der Stift über das Papier. Ich machte, daß ich hinauskam.
    Erst draußen, vor dem Gebäude, blieb ich stehen. Ich zitterte am ganzen Körper und beruhigte mich erst, als ich mein zweites Glas hinuntergekippt hatte. Nachdenklich starrte ich vor mich hin, und Fred, der Barmixer, meinte, daß ich etwas auf der Seele hätte, und damit hatte er ja auch recht.
    Ich versuchte, mir das Problem klarzumachen. Da war einmal Mr. Prosser, oder sollte ich sagen, zweimal Mr. Prosser? Der eine, der den Tag damit verbrachte, auf seinem Block herumzuschmieren, und der andere, der die Nacht damit verbrachte, sich selbst zu warnen, daß seine Frau versuche, ihn zu vergiften. Er mußte eine gespaltene Persönlichkeit haben. Ein richtiger Jekyll und Hyde.
    Das war also die Antwort. Er war schizophren. Aber was sollte ich tun? Sollte ich hingehen und ihn noch einmal zu sprechen versuchen? Sollte ich die Polizei anrufen? Am Ende aber entschloß ich mich, die Dinge einfach weiterlaufen zu lassen, wie sie waren. Aber ich freute mich ganz gewiß nicht auf die folgende Nacht, nicht im geringsten.
    Der Uhrzeiger kroch gegen ein Uhr zu. Ich hatte dieselbe Seite der Zeitung schon zweimal gelesen, und ich wußte noch immer nicht, was darin stand, denn die ganze Zeit über hielt ich ein Auge auf das Telefonbord gerichtet und

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