Magazine of Fantasy and Science Fiction 11 - Roboter auf dem Kriegspfad
Nick?«
»Nichts. Was soll sein?«
»Wenn du willst, gehe ich mit dir 'raus. Die anderen kommen dann auch mit.«
»Das ist mir egal.« Er sah sie an. »Weißt du, ich bin es leid. Jeden Tag dasselbe. Die Schule, die Spiele, die Ermahnungen: ›Gehe nur in Begleitung eines Erwachsenen nach draußen!‹
›Trage immer deine Maske!‹ – ›Denke daran, daß die Erde deine Heimat ist!‹« Wütend trat er nach der Kiste. »Ich bin es leid, immer dieselben Filme, diese Cowboys und Indianer, die Gesetzlosen von Sherwood Forest, alles. Draußen aber ...«
Wieder sah er hinaus in Richtung der gelben und braunen Zweige und Blätter, die am Rand des großen Tals wuchsen. Sie waren keine hundert Meter von der Kuppel entfernt.
»Das dort, das ist ›draußen‹!« flüsterte er sehnsüchtig. »Nicht aber diese dummen Filme und Bücher. Ich habe alle Bücher schon gelesen. Ich will endlich jemand haben, mit dem ich richtig spielen kann.«
Judith machte ein beleidigtes Gesicht. Sie zog sich einen Schritt zurück.
»Du hast mich. Wir alle spielen doch mit dir.«
»Ja, eine Bande kleiner Rotznasen! Immer habt ihr Angst, mit mir nach draußen zu gehen.«
»Aber wenn sie uns dabei erwischen ...«
»Na, was dann? Was wollen sie schon machen?«
»Aber Nick, wir gehen doch mit dir 'raus! Du tust so, als hätten wir das nie getan.«
»Ist es denn nicht schön draußen? Ist es nicht viel schöner als hier unter der Kuppel?«
Sie nickte.
»Ja, es ist schöner. Wenn sie uns nur in Ruhe ließen. Warum lassen sie uns nicht gehen, wenn wir wollen? Warum müssen sie immer solche Angst haben?«
Er zuckte die Schultern.
»Erwachsene haben immer Angst«, sagte er. Er schob die Hände bis zu den Ellenbogen in die Hosentaschen. »Was ist, Jon, gehen wir nach der Schule? Nach draußen, meine ich.«
Jon kratzte sich am Kopf. Seine Haare begannen gerade wieder zu wachsen. Er hatte den blauen Pilz gehabt und fast alle verloren.
»Ich muß meinen Vater fragen, ob er mich heute braucht. Gestern sagte er, das Observatorium müsse gesäubert werden. Dabei soll ich ihm helfen.«
»Ich muß meinen Vater fragen«, äffte Nick ihn nach. »Gut, dann frage ihn. Aber vergiß nicht, deine Maske mitzubringen.«
Er hätte nicht zu sagen vermocht, warum er so verbittert war. Heute war ein Tag wie jeder andere. Vielleicht war gerade das die Ursache. Als kleines Kind hat jeder schon einmal mit Holzklötzen gespielt. Man baute Türme aus ihnen, ein Klotz auf den anderen, immer so weiter, bis der Turm zu hoch wurde und umkippte. Hier gab es zu viele gleiche Tage. In Nick brannte die Unruhe. Er wollte Ellbogenfreiheit, Platz für sich und seine Spiele, er wollte allein sein und nicht immer in der überfüllten Stadt unter der Kuppel leben. Er war das älteste Kind hier. Er spürte es mehr als die anderen, besonders jetzt, wo draußen die warme Jahreszeit angebrochen war. Es waren die Monate zwischen Sandstürmen und Frost. Überall im Boden regte es sich. Kleines Getier kam aus der Erde gekrochen. Das große Tal begann zu leben. Es gab soviel zu erforschen und zu sehen und zu erleben.
Natürlich fühlten Jon und die anderen es auch, aber sie hatten noch andere Interessen als nur das Draußen. Jon und O-Sato mochten die Mathematik und alles, was damit zusammenhing. So liebte es Jon, im Observatorium seines Vaters zu arbeiten, die blitzenden Instrumente mit dem Lappen abzuwischen und die tickenden Uhrwerke der Regulierungsgeräte zu beobachten. O-Sato konnte sich stundenlang damit beschäftigen, die Geheimnisse des Rechenschiebers und der Logarithmentafeln zu ergründen. Judith war wieder ganz anders. Manchmal konnte sie wie ein Junge sein, wenn es galt, neue Spiele zu erfinden. Draußen war sie schneller als alle ihre Spielgefährten, und niemand konnte sie in den Sanddünen einholen. Dann aber konnte sie wieder tagelang in der Bibliothek hocken und in alten Büchern lesen, die alles von der Vergangenheit erzählten.
Nick war überzeugt, daß sie alle nicht genau wußten, was sie eigentlich wollten. Hätte er nur einen eigenen Wagen, oder gar einen Helikopter!
Er würde in die Weite hinaus vordringen, weiter und immer weiter, bis ...
Während des Unterrichts verlor er einen Teil seiner inneren Unruhe. Monsieur Bernstein war ein guter Lehrer. Er behauptete immer, die Kinder das Leben zu lehren, und so wußte niemand, was ihm an diesem oder jenem Tag in der Schule bevorstand. Er beherrschte fünf Sprachen ohne jeden Akzent, und es war eins seiner
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