Magazine of Fantasy and Science Fiction 20 - Mord in der Raumstation
Deacon war in zweierlei Beziehung ein Mann ohne Gesicht. Das ausdruckslose Gesicht, das ich sah, war nicht sein wirkliches, sondern nur eine sehr gute Maske; sie veränderte seine Züge so verblüffend, daß selbst enge Mitarbeiter des Generals ihn auf der Straße nicht erkannt hätten, wenn sie ihm ohne Maske begegnet wären.
In anderer Beziehung war General Deacon ganz offensichtlich nicht das, was er seiner Dienststellung nach sein sollte. Stenotypistinnen, Angestellte und andere Mitarbeiter der Abteilung, die er leitete, hatten keinen Anlaß, daran zu zweifeln, aber wir anderen wußten ziemlich sicher, daß er in Wirklichkeit nicht nur einer von vielen Generälen war.
Er vergeudete keine Zeit. »Doktor Spring«, sagte er, »Sie fliegen zu Station X, Lage und Verwendungszweck geheim ... aber irgendwo im Sonnensystem. Dort untersuchen Sie einen Mord.«
Ich atmete erleichtert auf. Sobald der Geheimdienst auf seine Mätzchen verzichtete, konnte man mit den Leuten halbwegs vernünftig reden. Dies war bestimmt kein Trick. Ich sollte wirklich einen Mord in irgendeiner Raumstation untersuchen, die wirklich innerhalb unseres Sonnensystems lag.
Meine Erleichterung machte sofort ehrlicher Verblüffung Platz. »Ein Mord? Ich?«
»Sie sind dafür ausgewählt worden. Folglich muß Ihr Fachgebiet etwas damit zu tun haben. Der Mörder ist ein Roboter.«
Ich öffnete rasch den Mund und schloß ihn langsam wieder. Es hatte keinen Zweck, jetzt zu betonen, daß Roboter keine Menschen ermordeten. Normalerweise waren sie nicht dazu fähig, aber hier handelte es sich offenbar um einen Ausnahmefall. Die Lösung konnte nicht weiter schwierig sein.
»Warum brauchen Sie einen Fachmann für Robotik?« fragte ich. »Ein Mensch hat einen anderen umgebracht. Der Roboter war nur sein Werkzeug. Würden Sie einen Zimmermann mit der Untersuchung des Falls beauftragen, wenn jemand den abgesägten Kopf eines Mannes gefunden hätte?«
Der General nickte. »Genau darum«, antwortete er mit einem vielsagenden Lächeln.
Was er damit meinte, war nicht allzu schwer zu erraten. Er wollte nicht sagen, er würde einen Zimmermann rufen, falls ein Mann mit einer Säge ermordet worden wäre. ›Genau darum‹ bedeutete nur, daß mir der Fall übertragen werden sollte, weil ich auch ohne Kenntnis der Details erkannt hatte, daß ein Mord, der mit Hilfe eines Roboters geschehen war, nicht unbedingt von einem Robotiker zu lösen war.
General Deacon erhob sich. »Sie fliegen mit einem unserer schnellsten Zerstörer. In zehn Minuten, von einer geheimen Rampe im Innern dieses Gebäudes. Später gehen Sie an Bord eines Kreuzers, aber die Details Ihrer Reise brauchen Sie nicht zu kümmern. Sie erfahren nicht, wohin der Flug geht, und ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß die Zeit an Bord künstlich gestreckt oder verkürzt wird, um Ihnen den Eindruck zu vermitteln, Sie seien weiter oder nicht so weit wie in Wirklichkeit geflogen.«
»Keine Einweisung?« fragte ich.
»Keine. Die notwendigen Informationen erhalten Sie nach Ihrer Ankunft. Ihre einzige Aufgabe besteht daraus, den Mordfall zu untersuchen und aufzuklären. Finden Sie den Mörder, überzeugen Sie den Kommandanten der Station, daß der Fall gelöst ist, und machen Sie sich weiter keine Sorgen. Wahrscheinlich hören Sie nie, wie die Sache ausgegangen ist. Aber Sie können sich darauf verlassen, daß Ihr Bericht einige Veränderungen in der Personalpolitik der Raumstationen nach sich ziehen wird.«
Er zögerte, kam dann hinter seinem Schreibtisch hervor, schüttelte mir die Hand und sagte: »Falls Sie nicht weiterkommen, brauchen Sie sich nur mit mir in Verbindung zu setzen; ich schicke dann einen anderen Mann, der Sie ablöst. Notfalls isolieren wir die betreffende Raumstation, bis die gesamte Besatzung an Altersschwäche gestorben ist. Wir brauchen nichts vor Gericht zu beweisen, deshalb ist es überflüssig, daß Sie à la Sherlock Holmes jeden kleinen Punkt beweisen und schließlich ein Geständnis des Täters beibringen. Stellen Sie nur den Kommandanten zufrieden, das ist alles.«
»Und was soll ich tun, wenn er der Mörder ist?« fragte ich.
Der General zuckte mit den Schultern. »Nicht ausgeschlossen. Sollten Sie zu diesem Ergebnis kommen, sind Sie bestimmt imstande, sich abholen zu lassen, ohne daß die Station deshalb mit uns in Verbindung treten muß. Dann beginnt unsere Arbeit, und Sie können sich beruhigt zurückziehen. Aber die eben erwähnte Möglichkeit ist ziemlich
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