Magazine of Fantasy and Science Fiction 20 - Mord in der Raumstation
leichtfertig von Dingen, die anderen viel bedeuten, aber die Zweifel sind nun einmal da. Mein anderes Ich wird seitdem nicht mehr von ihnen geplagt.
Halten Sie es für möglich, daß es einen abgespaltenen Napoleon gegeben haben könnte, der nichts von Strategie verstand und ein nervöser kleiner Feigling war? Hat es im tiefsten Kentucky noch lange einen abgespaltenen Lincoln gegeben, der ein grobschlächtiger Bauernlümmel blieb, schmutzige Witze erzählte und ein halbes Dutzend uneheliche Kinder in die Welt setzte? Wäre nicht auch ein abgespaltener Augustinus denkbar, der sich dem Ungeist seiner Zeit anpaßte und allerlei Irrlehren verbreitete, anstatt dem Beispiel des berühmtesten Kirchenlehrers nachzueifern? Gibt es einen Antichrist – der Mann, der in der Abenddämmerung aus dem Garten Eden floh und sein Gewand zurückließ? Wir wissen schließlich, daß im Augenblick der Spaltung nur einer die Kleidung behalten kann.«
»Woher soll ich das wissen, Judas? Wie steht es mit dem Mann, der Christus verraten hat? War er nur der Doppelgänger eines anderen? Hatte dieser andere bessere oder schlechtere Eigenschaften? Ich gehe jetzt.«
»Sie ist hier in New York und will dich heute abend treffen«, berichtete Joe Zabotsky bei ihrer nächsten monatlichen Zusammenkunft. »Wir müssen irgend etwas vereinbaren.«
»Nein, nein, nicht Veronica!« protestierte Clem erregt. »Ich bin gar nicht darauf vorbereitet.«
»Sie ist es. Sie hat einen richtigen Dickkopf und weiß genau, was sie will.«
»Nein, sie weiß es eben nicht, Joe. Ich fürchte mich vor ihr. Seit Veronica habe ich nie wieder etwas mit Frauen zu tun gehabt.«
»Der Teufel soll dich holen, Clem, du sprichst doch von Veronica. Schließlich bist du noch immer mit ihr verheiratet.«
»Ich habe trotzdem Angst davor, Joe. Ich habe mich inzwischen zu sehr verändert. Wo soll ich sie überhaupt treffen? Oh, du gerissener Halunke! Ich spüre, daß sie irgendwo in der Nähe ist. Sie war bereits hier, als ich hereingekommen bin. Nein, nein, Veronica, ich bin nicht der richtige Clem. Du verwechselst mich mit einem anderen.«
»Das bezweifle ich sehr, Clem«, sagte die dickköpfige Veronica, als sie an den Tisch trat. »Du kannst gleich mitkommen. Ich erwarte einige Erklärungen von dir.«
»Aber ich kann nichts erklären, Veronica. Ich verstehe selbst nicht, wie es dazu gekommen ist!«
»Ich erwarte, daß du dich wenigstens bemühst, Clem. Wir werden uns beide Mühe geben. Nochmals vielen Dank für Ihre freundliche Unterstützung in einer schwierigen Situation, Mister Zabotsky.«
Alles verlief so friedlich und ohne größere Schwierigkeiten, daß Clem allmählich den Verdacht hatte, die eigentliche Katastrophe stehe erst bevor. Veronica war eine außergewöhnlich attraktive Frau, und er hatte sie wirklich vermißt. Sie machten einen ausgedehnten Bummel durch die Nachtklubs der Stadt. Das hatten sie auch früher einmal jährlich getan, aber Clem hatte nun mehrere Jahre lang ohne Veronica auskommen müssen. Und trotzdem wollte sie unbedingt eine kleine Bar besuchen, »in der wir letztes Jahr waren, oh, aber das warst nicht du, nicht wahr, Clem? – Das war Clem ...« Dieses Gerede machte ihn allmählich nervös.
Sie soupierten großartig und sprachen von allen möglichen Dingen. Beide wußten, daß sie sich wie früher liebten, aber keiner konnte dem anderen erklären, weshalb sich plötzlich alles verändert hatte.
»Er hat dir nie ganz verziehen, daß du jeden Cent von der Bank abgehoben hast«, sagte Veronica.
»Aber das war mein Geld, Veronica«, beteuerte Clem. »Ich habe es im Schweiße meiner Zunge und meines Gehirns verdient. Er hatte kein Recht darauf.«
»Du irrst dich, lieber Clem. Ihr habt beide dafür gearbeitet, als ihr noch ein Mann wart. Du hättest dir nur die Hälfte nehmen dürfen.«
Als sie in Veronicas Hotel kamen, warf der Portier Clem einen mißtrauischen Blick zu.
»Sind Sie nicht eben nach oben gegangen und dann heruntergekommen und dann wieder nach oben gegangen?« fragte er.
»In meinem Leben geht es meistens auf und ab, obwohl Sie vermutlich etwas anderes meinen«, sagte Clem.
»Du brauchst nicht nervös zu sein, Liebster«, meinte Veronica beruhigend. Sie befanden sich jetzt in Veronicas Zimmer, und Clem sah sich nervös um. Er war sogar vor seinem Spiegelbild erschrocken, weil er nicht wußte, wen er vor sich hatte.
»Ich bin noch immer deine Frau«, sagte Veronica. »Daran hat sich nichts geändert, obwohl alles andere
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