Magazine of Fantasy and Science Fiction 22 - Im Angesicht der Sonne
auf und bleibst einfach bei mir? Ich besitze Land, Steve, wirkliches Land – hundert Quadratmeter im ehemaligen Güterbahnhof der New York Central! Du und ich, Steve, wir könnten es gemeinsam bebauen!«
Baxter fühlte sich versucht – welcher Mann wäre es an seiner Stelle nicht gewesen? Er war sich natürlich darüber im klaren, welche Gefühle die junge Banditin für ihn hegte, und er erwiderte sie bis zu einem gewissen Grad. Flames Schönheit und Stolz hätten wohl manchen Mann betört, selbst wenn sie keinen Quadratmeter Land besessen hätte. Steve schwankte einige Sekunden lang und zog Flame Steinmetz näher an sich.
Aber dann wußte er wieder, wer Anspruch auf seine Loyalität hatte. Flame war ein romantisches Zwischenspiel, ein ekstatisches Abenteuer, von dem jeder Mann träumte. Aber Adele war seine Jugendfreundin, seine Ehefrau, die Mutter seiner Kinder, eine geduldige Helferin in zehnjähriger Partnerschaft. Für einen Mann von Steve Baxters Charakter konnte es keine andere Wahl geben.
Flame Steinmetz hatte diese Ablehnung selbstverständlich nicht erwartet. Sie war wütend wie ein verbrühter Puma, als sie Steve drohte, sie werde ihm das Herz mit den Fingernägeln aus der Brust reißen, es in Mehl wälzen und über mittlerer Flamme geröstet ihren Kumpanen servieren. Ihr flammender Blick und ihr wogender Busen zeigten, daß dies keine leere Drohung war.
Trotzdem blieb Steve Baxter unerschütterlich seinen Überzeugungen treu, die er ruhig und gelassen vortrug. Und Flame sah schließlich betrübt ein, daß sie sich niemals in diesen Mann verliebt hätte, wenn er nicht eben den hohen Prinzipien treu geblieben wäre, die ihn daran hinderten, ihren Wünschen entgegenzukommen.
Am folgenden Morgen erhob sie deshalb keine Einwände, als der geheimnisvolle Fremde weiterziehen wollte. Sie brachte sogar ihren erzürnten Vater zum Schweigen, der fluchend beteuerte, Steve sei ein Trottel, der mit Gewalt zurückgehalten werden müsse, weil er selbst nicht wisse, was gut für ihn sei.
»Es hat keinen Zweck, Dad – siehst du das nicht ein?« fragte sie ihn. »Er muß sein eigenes Leben führen, selbst wenn er dabei ums Leben kommen sollte.«
Pablo Steinmetz gab sich brummend zufrieden, und Steve Baxter setzte seine gefährliche Wanderung fort.
Er marschierte in Richtung Stadtmitte weiter, wurde von allen Seiten gestoßen, eingeengt und weitergeschoben, blinzelte im grellen Licht unzähliger Leuchtstoffröhren, das sich an verchromten Flächen brach, und war schließlich vom Lärm der Großstadt fast taub. Dann erreichte er das Gebiet, in dem immer wieder neue Schilder vor ihm auftauchten:
Einbahnstraße
Durchfahrt verboten
Mittelstreifen nicht überfahren
An Sonn- und Feiertagen geschlossen
Wochentags geschlossen
Linke Spur nur für Linksabbieger
Steve Baxter versuchte sich an alle diese widersprüchlichen Anweisungen zu halten und betrat dabei aus Versehen das Elendsviertel der Stadt, das als Central Park bekannt war. So weit das Auge reichte, war jeder Quadratmeter Land mit kümmerlichen Hütten, ärmlichen Zelten, erbärmlichen Behelfsunterkünften und den Überresten ehemaliger Lagerfeuer bedeckt. Die Bewohner dieses Armenviertels empfingen ihn nicht eben freundlich, und ihre Kommentare klangen immer drohender, je weiter Steve vordrang. Sie hatten es sich in den Kopf gesetzt, er sei ein Inspektor des Gesundheitsamtes, der ihre vergifteten Brunnen schließen, ihre trichinösen Schweine schlachten und ihre aussätzigen Kinder impfen wollte. Sie umringten ihn, schwangen ihre Krücken und stießen finstere Drohungen aus.
Zum Glück verursachte in diesem Augenblick ein defekter Toaströster in Ontario einen vollständigen Stromausfall. In der nun entstehenden Panik gelang Steve die Flucht.
Aber nun befand er sich in einem Gebiet, in dem die Straßenschilder schon längst entfernt worden waren, um die Steuereinnehmer in die Irre zu führen. Die Sonne war von Wolken verdeckt und würde sich voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nicht mehr zeigen. Selbst ein Kompaß hätte ihm nichts genützt, weil er ständig größere Schrottmengen in der Nähe hatte – die Überreste der einst so berühmten U-Bahn.
Steve Baxter erkannte, daß er sich hoffnungslos verirrt hatte.
Trotzdem gab er nicht auf, sondern marschierte weiter, weil sein Wagemut nur noch von seiner Unwissenheit übertroffen wurde. Er wanderte ungezählte Tage lang durch ewig gleiche Straßen, kam an endlosen Reihenhäusern
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