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Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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später erreichte ich den Vorsprung, den ich von oben aus gesehen hatte. Er führte ungefähr zehn oder zwölf Meter geradeaus weiter bis zur nächsten Ecke; dort schloß die Verbindungsmauer zu dem anderen Turm an. Ich machte mich so flach wie möglich und schob mich zu dieser Ecke vor. Dann drehte ich mich um, stieß mich von der Mauer ab und sprang zu der Verbindungsmauer hinüber. Ich landete auf Händen und Füßen und kroch sofort weiter, um in den Schatten des anderen Gebäudes zu kommen. Als ich ihn eben erreicht hatte, leuchtete ein Scheinwerfer den Vorsprung ab, auf dem ich gestanden hatte, glitt wieder die Mauer hinauf und erlosch.
    Ich setzte mich in der Dunkelheit auf, tastete mit den Fingern nach rückwärts und spürte dort eine breite Steinbalustrade. Ich kletterte darüber und stand auf einer geräumigen Terrasse mit riesigen Steintöpfen, in denen große Pflanzen wuchsen, die sich die Mauer entlang nach oben rankten. Fünf Meter über mir sah ich einen Lichtstein am Rand der nächsten Terrasse. Ein Athlet in bester Kondition und mit geeigneten Schuhen hätte vielleicht dort hinaufklettern können. Ich stieg auf die Balustrade, griff nach den Ranken und begann zu klettern.
    Etwa eine Viertelstunde später hatte ich eben eine Hand auf das polierte Metallgeländer der oberen Terrasse gelegt, als die bleistiftdicke Ranke, an der ich hing, plötzlich losriß. Ich war zum Glück geistesgegenwärtig genug, um die Ranke loszulassen und mit beiden Händen nach dem Geländer zu greifen. Dann zog ich mich höher und sah über die Brüstung und die Marmorplatten der Terrasse in einen großen Raum mit teakholzgetäfelten Wänden und indirekter Beleuchtung.
    An einem Schreibtisch, der etwa so groß wie ein Cadillac war, saß ein Mann mit dem Rücken zu mir. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und betrachtete prüfend das glimmende Ende seiner Zigarre. Er hatte breite Schultern, einen kräftigen Nacken und graumeliertes Haar. Soviel ich beurteilen konnte, war er allein. Während ich ihn noch beobachtete, legte er seine Zigarre in einen riesigen Glasaschenbecher; dann drückte er auf einen Knopf, nahm eine Karaffe und ein Glas von dem Tablett, das sich automatisch aus seinem Schreibtisch schob, und schenkte sich einen Schluck Cognac ein. Als er die Karaffe wieder verschloß und beide Hände dazu brauchte, schwang ich mich über das Geländer, hielt meine Pistole schußbereit in der Hand, schlich über die Marmorplatten zu der offenen Tür und sagte: »Halt, keine Bewegung! Keinen Atemzug!«
    Er wirkte eine Sekunde lang wie erstarrt; dann drückte er den Glasstöpsel mit der Handfläche hinein, stellte die Karaffe zurück und drehte sich langsam nach mir um.
    Ich sah mich selbst in einem Sessel sitzen.
     
     
9
     
    Wir starrten uns etwa zehn Sekunden lang an, bis ich merkte, daß er mich nicht wirklich betrachtete, sondern mir eher eine Chance gab, ihn gründlich anzusehen. Er war allerdings auch sehenswert.
    Ich habe nie zarte Gesichtszüge gehabt, aber sein Gesicht war wie aus Stein gehauen, von Wind und Wetter gebräunt und schließlich zu einer Maske erstarrt, die beherrschte Energie darstellte. Er hätte fünfundvierzig oder sechzig Jahre alt sein können. Er trug einen dunkelroten Schlafrock mit schwarzem Kragen, aus dem sein Hals wie der Stamm einer gewaltigen Eiche hervorragte. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten; ich wußte nicht, ob er schwach lächelte oder überhaupt keinen Ausdruck zeigte.
    »Schön, jetzt bist du also hier«, sagte er mit meiner Stimme. »Komm herein und nimm Platz. Wir haben einiges zu besprechen.«
    Ich trat unwillkürlich einen Schritt vor, bis mir einfiel, wer hier die Befehle gab. »Steh auf und tritt vom Schreibtisch zurück«, wies ich ihn an. »Aber ganz ruhig und langsam! Ich kenne mich mit dieser Pistole noch nicht gut genug aus, um knapp danebenzuschießen.«
    Er zog die Mundwinkel einen halben Millimeter hoch und blieb sitzen. »Ich habe versucht, dich zu finden, bevor du das Risiko auf dich nehmen mußtest, hier mit Gewalt einzudringen ...«
    »Deine Leute sind zweitklassig. Wahrscheinlich sind sie verweichlicht, weil der Dienst zu leicht ist.« Ich bewegte die Pistole. »Ich warne dich – ich warte nicht mehr lange!«
    »Du bist nicht hierher gekommen, um mich zu erschießen«, stellte er fest.
    »Ich kann mir die Sache jederzeit anders überlegen. Seitdem ich hier bin, leide ich an deutlicher Nervosität. Wenn jemand nicht tut, was ich will, werde ich noch

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