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Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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eigenen Spur folgen zu lassen. Das Verfahren hatte außerdem den Vorteil, daß du unbeobachtet zu mir vorgedrungen bist. Du siehst doch hoffentlich ein, wie kompliziert die Sache für uns beide würde, sobald die Öffentlichkeit erführe, daß ich einen jüngeren Doppelgänger habe.«
    »Hmm«, meinte ich, »vielleicht.« Dann fiel mir etwas ein. »Zeig mir dein Handgelenk!« forderte ich ihn auf.
    Er warf mir einen nachdenklichen Blick zu. Dann schob er den rechten Ärmel hoch und zeigte mir das Handgelenk.
    »Es war das andere, weißt du das nicht mehr?«
    Er zeigte mir auch das linke Handgelenk. Die Haut war völlig glatt; ich sah nicht die kleinste Narbe.
    »Zufrieden?« Er wirkte jetzt etwas entspannter. Auch meine Verkrampfung begann sich zu lösen.
    »Gut, nehmen wir einmal an, du hättest die Wahrheit gesagt«, fuhr ich fort. »Was ändert sich dadurch?«
    »Das ist doch ganz klar. Der Alte war machtgierig, tyrannisch und nicht mehr richtig im Kopf. Diesen Teil seiner Persönlichkeit habe ich nicht mitbekommen.«
    »Du hast dort weitergemacht, wo er aufhören mußte«, stellte ich fest. »Folglich hat sich eigentlich nichts verändert.«
    »Die Welt, die er in jahrelanger Arbeit aufgebaut hat, läßt sich nicht innerhalb weniger Tage verändern. Dazu braucht man Zeit und nochmal Zeit; wollte ich alles auf einmal reformieren, hätte ich es mit einem Chaos zu tun.«
    »Ich hatte das Gefühl, alles werde eher schlechter als besser.«
    »Diese Auffassung überrascht mich keineswegs, wenn ich berücksichtige, in welcher Gesellschaft du dich aufgehalten hast.«
    »Welche Gesellschaft meinst du damit?«
    »Den kleinen Mann. Jess Ralph. Ich dachte, du wüßtest, wer er war – Fraziers Enkel.«
    »Ich weiß überhaupt viel zu wenig«, gab ich zu. »Am besten erzählst du mir jetzt die ganze Geschichte von Anfang an.«
    Er nickte langsam, kniff die Augen zusammen und schien an mir vorbei ins Leere und in die Vergangenheit zu sehen.
    »An den ersten Teil erinnere ich mich so gut, als sei mir alles selbst passiert. Frazier hat die Erinnerungen wirklich gut auf Band festgehalten. Ich sehe noch jede Einzelheit vor mir, als sei es erst gestern passiert ...
    Der Tag begann wie üblich. Ich frühstückte draußen auf der Terrasse mit Marion, fuhr in die Fabrik und besprach einige Steuerfragen mit Frazier. Dann gingen wir in den neuen Seitenflügel hinüber, um zu sehen, wie unsere Leute mit dem Zusammenschweißen des Tanks vorankamen. Der Tank gehörte zu einem neuartigen Verfahren, das uns ein Vermögen einbringen würde, weil es den Markt revolutionierte.
    Es geschah kurz nach zehn Uhr. Marion war in die Stadt unterwegs, um Einkäufe zu machen. Die Kleine begleitete sie. Marion kam kurz in die Fabrik, weil die Kleine mir einige Blumen bringen wollte, die sie gepflückt hatte. Weiße Gänseblümchen, die ersten in diesem Jahr. In unserem Garten wuchsen immer viele ...
    Sie gingen zuerst ins Büro, und dort erzählte ihnen irgendein Trottel, daß ich im Seitenflügel war. Sie gingen dorthin.
    Frazier und ich standen vor dem großen Tank und sahen zu, wie Brownie die nächste Platte einsetzte und verschweißte. Dann rutschte plötzlich eine andere Platte aus ihrer Halterung, knallte zu Boden und durchtrennte die Hochspannungskabel des Elektroschweißgeräts. Dabei entstanden Funken und Rauch – und in diesem Augenblick kamen die beiden herein.
    Ich lief auf sie zu, winkte verzweifelt mit den Armen, um zu verhindern, daß sie weiter herankamen, und brüllte mir die Kehle heiser, ohne mich verständlich machen zu können. Die Kleine sah mich winken und wollte zu mir. Bevor Marion sie festhalten konnte, hatte sie sich bereits im Rauch verirrt. Dann hörte sie meine Stimme, ging darauf zu und berührte mit dem Fuß die Platte, die noch unter Strom stand – unter einem Strom mit sechzigtausend Ampere Stärke.
    Ich erreichte sie zuerst. Ich nahm sie in die Arme und rief nach unserem Werksarzt. Der verdammte Kerl war wieder einmal während der Arbeitszeit auf dem Golfplatz. Die anderen Ärzte in der Umgebung wohnten zu weit entfernt. Die Kleine atmete nicht mehr; ich spürte keinen Puls, und ich wußte, daß ihr Gehirn unheilbare Schäden davontragen würde, wenn es länger als drei Minuten ohne Sauerstoff blieb ...
    Ich tat, was mir noch zu tun übrigblieb. Wir hatten eine große Versuchsanordnung aufgebaut, um mit flüssigem Stickstoff zu experimentieren. Ich brachte sie dorthin und wies Frazier an, den großen Tank zu öffnen.

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