Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit
Er widersprach, und ich schlug ihn nieder. Die anderen hielten mich alle für verrückt. Ich öffnete den Tank selbst und kam wieder zurück. Marion hatte die Kleine in den Armen und wollte sie nicht hergeben. Ich mußte sie ihr mit Gewalt wegnehmen.
Ich nahm die Kleine mit, gab ihr eine Spritze, wickelte sie ein, legte sie in den Tank, schraubte ihn zu, ließ die Kühlschlangen vollaufen und sah zu, wie das Sichtglas beschlug. Das geschah in weniger als einer Minute. Dann kam ich zurück, und die anderen erwarteten mich gemeinsam mit einem Polizisten, den sie inzwischen irgendwo aufgetrieben hatten. Ich hätte sie am liebsten mit bloßen Händen zerrissen, aber ich durfte mir jetzt keine Fehler mehr leisten. Sie lag dort im Tank bei sechs Grad Kelvin, aber das nützte uns beiden nichts, solange ich die anderen nicht davon überzeugen konnte, daß ich richtig gehandelt und die einzige Chance wahrgenommen hatte.
Ich sprach mit ihnen. Ich blieb mühsam ruhig und sprach mit ihnen. Ich machte ihnen klar, daß die Kleine bereits tot gewesen war, daß ich sie nicht noch toter gemacht hatte und daß sie sich in dem Tank nicht mehr verändern würde, solange niemand ihre Ruhe störte. Falls dabei ein Schaden angerichtet worden war, konnte ihn niemand mehr rückgängig machen, und falls ihr das nicht geschadet hatte, war es jetzt Aufgabe der Ärzte, sie eines Tages ins Leben zurückzubringen. Aber unterdessen sollte sie bleiben, wo sie war.
Frazier war der erste, der sich auf meine Seite stellte, weil er einsah, daß ich richtig gehandelt hatte. Er war selbst ganz verschossen in die Kleine gewesen. Er schickte unsere Leute fort, ließ einen Polizisten als Wache zurück und telegrafierte nach allen Richtungen, um die besten Ärzte zusammenzuholen. Ich fuhr nach Hause und trank in der folgenden Woche soviel Whisky wie sonst im ganzen Jahr. Ich wußte nicht einmal, wo Marion geblieben war; ich hatte gehört, daß sie einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, aber im Augenblick war ich nicht imstande, mich um sie zu kümmern. Ich dachte nur an die Kleine.
Einige Reporter bekamen Wind von der Sache, die Presse hatte eine neue Sensation, und mir wurde von Mord bis Leichenschändung alles Mögliche vorgeworfen. Die Zeitungen erwähnten sogar ein Gesetz, nach dem Leichen innerhalb von zwei Tagen bestattet sein müssen.
Aber ich ließ mich zum Glück nicht einschüchtern. Sie befand sich unter der Erde. Unser Laboratorium lag vier Meter unter der Erdoberfläche. Und ich konnte Zeugen dafür beibringen, daß Puls und Atmung bereits ausgesetzt hatten. Die Zeitungen befaßten sich noch einige Monate mit dieser Geschichte, aber im Laufe der Zeit waren andere Sensationen wichtiger.
Ich ließ den Raum, in dem alles passiert war, mit einer Mauer von der restlichen Fabrik abtrennen. Ich wollte ihn nie wieder betreten.
Wir entwickelten unser Verfahren weiter, und es wurde tatsächlich ein großer Erfolg, wie ich vorausgesagt hatte. Tiefstgekühlte Lebensmittel, die bei etwa zehn Grad Kelvin gelagert wurden, hielten sich praktisch unbegrenzt lange und waren dann noch so frisch wie am ersten Tag. Selbst empfindliche Gemüse, Obst und Salate ließen sich auf diese Weise beliebig konservieren. Innerhalb eines Jahres hatten wir bereits hundert Lizenznehmer. Zwei Jahre später erteilten wir keine Lizenzen mehr, sondern errichteten eigene Fabriken in zweiundvierzig Ländern. Ich gab jeden verdienten Cent für weitere Forschungsarbeiten aus, und je mehr wir dazulernten, desto schneller lernten wir überhaupt.
Aber der geschäftliche Teil war mir im Grunde genommen völlig gleichgültig. Ich wollte nur genug Geld und Wissen ansammeln, um das medizinische Programm anlaufen zu lassen. Ich arbeitete unermüdlich weiter und wartete nur auf den Tag, an dem die Ärzte mir die entscheidende Mitteilung machen würden.
Aber die Ärzte waren gerissene Burschen. Nach einem Jahr sagten sie mir nur, sie glaubten auf dem richtigen Weg zu sein. Nach zwei Jahren hieß es, der entscheidende Durchbruch sei demnächst zu erwarten. Nach fünf Jahren war von plötzlich auftretenden Schwierigkeiten bei der Erforschung submolekularer Kristallisationen die Rede. Und als ich zehn Jahre lang hundert Millionen Dollar jährlich für ihre Versuche ausgegeben hatte, machten sie hübsche Experimente mit tiefstgekühlten Mäusen, Katzen und Schafen und warfen mir unverständliche Fachausdrücke an den Kopf, wenn ich mich wieder einmal für die inzwischen gemachten
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