Magazine of Fantasy and Science Fiction 24 - Der letzte Krieg
Metabolismusüberwacher des Anzugs sorgte dafür, daß ich ständig halb betäubt war, und mein eigener Körper nahm oft Zuflucht zu langen Ohnmachtsanfällen, so daß ich nur zeitweise spürte, daß ich auf der Schulter des Riesen durch einen Schneesturm getragen wurde, während sich einzelne Knochensplitter ablösten und langsam durch das Fleisch des Oberschenkels austraten. Einmal sah ich in das große vom Frost entstellte Gesicht und erwiderte den besorgten Blick der vor Schmerzen und Übermüdung glanzlos gewordenen Augen.
»Laß mich hier liegen«, forderte ich Johnny Thunder auf. »Ich will keine Hilfe. Weder von dir noch von einem anderen. Ich gewinne oder verliere durch eigene Anstrengung.«
Er schüttelte den Kopf.
»Warum?« fragte ich. »Warum tust du das?«
»Ein Mann«, antwortete er, »ein Mann ... muß tun, was ... er sich vorgenommen hat.«
Er marschierte weiter. Er war so gut wie tot, aber er weigerte sich, diese Tatsache hinzunehmen und zu sterben.
Ich aß und trank ganz instinktiv aus den Röhren, die ich mit dem Mund erreichen konnte. Wäre ich bei vollem Bewußtsein gewesen, hätte ich freiwillig gehungert, um meine Leidenszeit abzukürzen. Manchmal war ich eine Viertelstunde lang ununterbrochen bei Bewußtsein und wußte endlich, wie es einem Rinderviertel auf dem Fleischerhaken zumute sein muß; dann schlief ich wieder und träumte, ich hätte die Aufnahmeprüfung für die Hölle bestanden. Manchmal merkte ich auch, daß ich fiel und im Schnee liegenblieb, bis große Hände nach mir griffen und mich aufhoben. Dann stolperte der Riese mit mir weiter.
Schließlich folgte ein etwas härterer Fall, der irgendwie endgültig zu sein schien. Ich blieb lange unbeweglich liegen und wartete auf den Tod. Aber nach einiger Zeit wurde mir klar, daß mein Anzug mich nicht einfach sterben lassen würde. Die Nährmittel und die automatisch verabreichten Drogen und Vitamine, die einen gesunden Menschen ein Jahr lang gesund erhalten konnten, würden die Qualen eines Sterbenden endlos verlängern. Ich würde also vorläufig weiterleben müssen, auch wenn mir das durchaus nicht paßte. Ich öffnete die Augen, um dem Riesen zu erzählen, was ich davon hielt – und sah sein Haus in hundert Meter Entfernung vor den großen Bäumen aufragen.
Ich legte die Strecke unendlich langsam zurück, weil ich dabei das Gefühl hatte, über einen Teppich aus Glasscherben kriechen zu müssen. Die Tür ließ sich nicht sofort öffnen, aber nach einiger Zeit stemmte ich meinen Körper dagegen, stieß sie auf und fiel dahinter auf den Fußboden. Dann war ich wieder längere Zeit bewußtlos, bis ich schließlich zu dem schrankförmigen Diagnose- und Heilgerät hinüberkroch, die Tür mühsam öffnete und hineinfiel. Ich hörte die Maschine summen und spürte noch, daß ihre Fühler mich abtasteten. Dann wurde es dunkel um mich.
Diesmal wachte ich anders auf: mit klarem Kopf, hungrig, schmerzfrei und mit einem Gehgips am Bein. Ich sah mich nach meinem Gastgeber um, aber ich war allein. Im Kamin brannte kein Feuer, aber das Haus war trotzdem mollig warm. Irgendwelche Wohltäter hatten in der Vergangenheit eine automatische Raumheizung installiert, damit der Riese es in senem Haus warm hatte, selbst wenn das Feuer ausging. Ich fand reichlich Lebensmittel in der Küche und aß zum erstenmal seit vielen Tagen wieder richtig. Das war mühsam, aber sehr befriedigend. Dann schaltete ich das Funkgerät ein und war schon bereit, dem Universum meine Geschichte zu erzählen, als mir einfiel, daß noch einige Details zu klären waren.
Ich ging ins Freie und wollte nachsehen, ob Johnny Thunder draußen war und Holz hackte, um in Form zu bleiben. Aber ich sah nur Schneewehen, gigantische Bäume und einen bleigrauen Himmel. Und noch etwas: eine längliche Erhebung im Schnee zwischen mir und dem Wald.
Das Knirschen der Schneekruste unter meinen Füßen war unglaublich laut, als ich auf diese Erhebung zuging. Er lag auf dem Rücken und sah mit offenen Augen, die mit einer dünnen Eisschicht überzogen waren, zum Himmel auf. Seine Arme waren an den Ellbogen abgewinkelt, und die Hände waren offen, als trage er ein Kind. Der Schnee lag wie eine wärmende Decke über ihm. Neben ihm sah ich den Hund – an der Seite seines Herrn erfroren.
Ich starrte den Riesen lange an. In meinem Innern stiegen Worte auf, die eine Stimme brauchten, um die Unendlichkeit zu überwinden, die jetzt zwischen uns lag. Aber ich sagte schließlich nur: »Du hast es
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