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Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Titel: Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Lachauer
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weiße Schuhe an den Füßen, ein Geschenk von Fräulein Pfeiffer. Weil wegen des Krieges vieles knapp geworden war, hatte Mutter nichts Passendes mehr für mich finden können, deswegen hatte meine liebe Lehrerin ihre ersten Ballschuhe für mich vom Speicher geholt. Ich spazierte also in weißen Seidenschuhen durch meine Heimatstadt und trat ausnahmsweise in keine Pfütze. Paarweise zogen wir ins Münster ein, neben mir ein Mädchen, das mir ausgesprochen freundlich schien. Bei den Proben hatte ursprünglich niemand an meiner Seite gehen wollen. «Wer geht mit Magdalena?» – «Ich nicht, sie schielt.»
    Am großen Tag selbst war alles so, wie es sein sollte. Ich fühlte mich fast heilig und wunderschön, würdig, den Heiland zu empfangen. Trotz des Krieges gab es Geschenke, eine Brosche mit zwei Karneolen von meiner Lehrerin, einen Rubinring von meiner Patin, den ich gleich verlor, und «Peterchens Mondfahrt», ein Buch mit riesengroßen Bildern. Vater war nicht erschienen – von Russland aus, wo er jetzt war, konnte er nicht auf Urlaub kommen. Immerhin hatte er an mich gedacht, er schickte eine hölzerne, bemalte Schale. Sie bezauberte mich.
    Noch immer war der Krieg fern, er steckte im Radio, lautstark und mit immer neuen Worten, wie «Judenschwein», «arische Rasse», «Plutokraten», «dem Erdboden gleichgemacht», und auf andere, seltsam freundliche Weise, in Vaters Briefen.
    Er hatte im Norden, bei der Stadt Dünaburg, einen guten Dienstposten erwischt, einen ohne Schießen, dafür war er zu alt. Er war Jahrgang 1901, der letzte Jahrgang, der noch eingezogen wurde. Seine Adresse lautete: «Skilager Nord», das klang nach Wintersport. Er und noch ein zweiter Malermeister aus Freiburg mussten die Skier für die Kämpfe an der Ostfront vorbereiten. Überall im Schwarzwald wurden sie eingesammelt und in Waggons dorthin verfrachtet. Manche der Leute, die sie hergeben mussten, erzählte Vater, hatten Zettelchen an die Skispitze gehängt, ein kleines Lebewohl oder eine Bitte an die Soldaten, ihr Opfer zu würdigen und gut auf die schönen Bretter aufzupassen. Zusammen mit einem Trupp ihm untergebener Russen musste Vater Tausende von Skiern neu streichen, in Schneeweiß, der Tarnfarbe für den Winter, und im Frühjahr, wenn sie zurückkamen, die Schäden an Holz und Bindung reparieren.
    «Stell dir vor, Magdalena», schrieb Vater, ab und zu wendete er sich direkt an mich, das älteste seiner Kinder. «Stell dir vor», als wüsste er, wie gut ich das kann. Er berichtete vom Polarsommer, den niedrigen Gehölzen und den hellen Nächten.
    Ich frage mich, wie viel ich vom Krieg, bevor dieser zu uns nach Freiburg kam, eigentlich mitbekommen habe. Alles? Fast nichts?
    Ein Kind lebt in den Tag hinein, und wenn der Tag Dinge bringt, die es nicht kennt, erschrickt es oder es freut sich. Da spielt irgendwo eine Militärkapelle, und ich stehe verzückt am Siegesdenkmal. Dann rastet eine Abteilung Soldaten mit ihren Pferden auf dem Karlsplatz, und einer hebt mich hoch, ich throne stolz auf dem Ross, wo ich mich hingewünscht habe, auf dem schwarzen oder weißen, für braune oder graue bin ich nicht so zu haben.
    Nur ein Mal bis dahin hatte es furchtbar gekracht, im Mai 1940. An einem Nachmittag waren ganz plötzlich Bomben auf Freiburg gefallen, unter anderem auf einen Kinderspielplatz. Mein kleiner Bruder Peter und die Stiefoma Wilhelmine waren nahebei, unterwegs zum Friedhof, um Geranien auf dem Grab des Schlosseropas zu pflanzen. Unsere Mutter war beim Fotografen und ich bei Tante Melli, wo ich in dieser Zeit oft war. Als wir uns abends zu Hause wiedertrafen, hat Mutter uns Kinder fest in die Arme genommen und sehr geweint. Ich war in diesem Augenblick froh gewesen, froh wie selten. Aber weinen, warum weinen?
    Wahrscheinlich war ich damals dem Simplizius Simplizissimus ähnlich, dem «Bub», der staunend durch den großen Dreißigjährigen Krieg geht, naiv, von den anderen für einen Narren gehalten, und der vielleicht deswegen heil davonkommt.
    «Der Bums» hieß es in unseren Kinderspielen. Ab Mai 1940 spielten wir «Bums», wir schrien das Wort lauthals durch den Garten und verschiedene, vorzugsweise verwilderte Gelände und schossen mit Fingern oder Knüppeln auf die schuldigen Piloten oben am Himmel, Franzosen oder Engländer, oder auf den «dicken Churchill», den Verbrecher, der das alles befohlen haben sollte.
    Erst lange nach dem Krieg hat sich die Wahrheit über diesen ersten Bombenangriff verbreitet, manche

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