Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
Vom Netzwerk:
bestimmt komisch an …«
    Â»Trink halt noch etwas, und dann red einfach!«
    Magdalena nippte an dem Wein und begann. »Meine Mutter starb, als ich ein Jahr und sechs Monate alt war, ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Mein Opa war Hausmeister in einer Schule, ist er immer noch.« Magdalena hielt ein paar Gedenksekunden für die zehn Jahre inne, in denen Oma Witta noch lebte und die sie zu dritt in dem alten Backsteinhaus neben
der Osterkappelner Grundschule verbracht hatten, bevor es dann so verdammt leer und still bei ihnen wurde.
    Nina setzte sich zu Magdalena auf das Bett, sie roch gut nach Handcreme. Ohne zu fragen und ohne sie dabei aus den Augen zu lassen, nahm Nina ihr das Glas aus der Hand und trank einen kräftigen Schluck daraus.
    Â»â€ºVater unbekannt‹ steht in meiner Geburtsurkunde. Meine Mutter ist schwanger aus einem Italienurlaub zurückgekommen, von Elba, das weiß ich seit heute ziemlich sicher …«
    Nina lächelte ungläubig und gab Magdalena das Glas zurück. »Da gab es Durchschläge und Formulare vom Jugendamt, Anträge zur Vaterschaftsfeststellung und solche Sachen - aber nichts, sie hat es nicht gesagt! Hat weiter in Freiburg studiert, Englisch und Philosophie, und ist mit mir in die Vorlesungen gegangen, das hat anscheinend ganz gut geklappt, bis sie dann leider …« Nina legte ihr eine Hand auf den Oberarm und drückte so fest, dass es fast wehtat, die andere Hand schlug sie sich vor den Mund.
    Â»Sag mir nicht, wie sie gestorben ist, bitte!«, murmelte sie und stand auf. »Ich kann so etwas nicht hören.« Ninas Stimme wurde immer lauter. »Ich sehe es sofort vor mir und kriege die Bilder dann nicht mehr aus meinem Kopf, ich pack das einfach nicht!« Magdalena rieb sich den Arm und räusperte sich verlegen. Ein Fahrradunfall, wie es sie hundertfach gegeben hatte, ein abbiegender Lkw, ein toter Winkel. Die Rückspiegel, die diesen tödlichen Unfall hätten verhindern können, gab es immer noch nicht in Deutschland, während sie in anderen Ländern längst Pflicht waren …
    Â»Wer mein Vater ist, hat meine Mutter selbst meinen Großeltern angeblich niemals verraten …«
    Â»Und du glaubst, es ist der, der neben ihr auf dem Foto vor dem Napoleon-Schild steht. Und jetzt suchst du ihn!«

    Magdalena schaute Nina überrascht und beinahe ein wenig bewundernd für ihre Fähigkeit an, die Dinge so schnell und klar auf den Punkt zu bringen. Das würde ich auch gerne können, dachte sie, immer die richtigen Schlüsse ziehen. Sie seufzte. Nina deutete das Geräusch falsch: »Nicht weinen, schlaf jetzt erst mal, wir finden das Foto, das verspreche ich dir! Ich leg mich dann heute Nacht neben dich.« Nina zog ein gestreiftes Kissen aus den Tiefen des Kleiderschranks hervor und warf es rechts von Magdalena auf die einladend breite Matratze.
    Â»Wir haben noch nicht geöffnet, sonst würden dich die Bässe von unten aus dem Bett werfen. Zahnbürste steht im Bad. Buona notte! « Sie lächelte, stakste wie ein hochbeiniger Flamingo durch die Schuhsammlung und zog die Tür hinter sich zu. Magdalena ordnete in ihrer Vorstellung blitzschnell die hellblauen Espadrilles, die nachtblauen Sandaletten, türkisblauen Stöckel und die grünen Clogs nebeneinander an. Ihr Hirn konnte die Sortiererei einfach nicht bleiben lassen, am liebsten wäre sie auch noch aufgestanden und hätte das Zimmer und die Klamotten genauer untersucht. Deine Scheißneugier ist echt widerlich, beschimpfte sie sich unhörbar, mach lieber das Licht aus! Im Halbdunkel trank sie den Wein aus und legte sich zurück auf das Kissen, Zähneputzen würde sie heute ausfallen lassen. Die Geräusche um sie herum lullten sie allmählich ein: die Grille vor dem Fenster, das Rauschen der Pinien, das sie sich vielleicht nur einbildete, das leise Stimmengemurmel vor ihrer Tür. Komisch, dachte sie, bevor sie einschlief, ich liege auf Elba in einem fremden Bett, habe nur noch meine Unterwäsche am Leib und bin doch ganz ruhig. Verzeih mir, Rudi, auch wenn du nichts davon wissen willst: Jetzt geht es mal um mich. Ich bin endlich hier und werde ihn morgen finden, den Italiener, den unscharfen Mann im Halbschatten, den sie geliebt hat und der mein Vater ist!

3
    A ls Magdalena erwachte, war es heller Tag. Sie hatte tief und traumlos geschlafen, der Platz neben ihr war leer, und in ihren

Weitere Kostenlose Bücher