Magdalenas Garten
im Gebüsch nahe der Kirche unter dem Feigenbaum. Sie fühlte sich kein bisschen besser.
»Er hat sich nur entschuldigt, entschuldigt, immer wieder entschuldigt, Sorry, Iâm so sorry, das sollten wir ihr ausrichten.«
»O ScheiÃe!«, entfuhr es Magdalena, ein paar Sorry von ihrem Vater, das war ein groÃartiges Fazit!
»Wir haben noch oft über diesen Anruf gesprochen, auch nach Heidis Tod.«
»Aber einen Namen hat er natürlich nicht gesagt.«
»Doch. Das hat er. Paolo. Paolo hieà er.«
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Zwanzig Minuten später hatte Magdalena den Lippenstift endlich wiedergefunden, sie war sich nicht mehr sicher, warum sie ihn überhaupt weggeschmissen hatte. Sie hasste diese unnötigen
Wutanfälle, sie hasste ihren Vater und die Zufälligkeit, mit der sie entstanden war, sie hasste den Lastwagenfahrer, der zufällig nicht aufgepasst und dadurch ihre Mutter umgebracht hatte. Was sollte sie als Nächstes tun? Sie hatte keine Ahnung. Sie fuhr einfach los, zunächst nach Marina di Campo. Ohne ins Il Vizio hineinzuschauen, preschte sie einmal an der Strandpromenade entlang, sie wusste, dass Roberto dort stand. Der Letzte, der ihr jetzt helfen konnte. Sie fuhr weiter, Richtung Cavoli, Fetovaia, machte die ganze Riesenrunde an SantâAndrea vorbei bis nach Marciana Marina, auch dort blieb sie nur kurz stehen, um über den Hafen mit seiner derben Mauer und dem mächtigen Pisanerturm zu schauen. Noch immer hatte sie keine Lösung gefunden, sollte sie »Paolo, wo bist du?« unter ihre Fotokopien schreiben, die inzwischen auf der gesamten Insel von den Laternenpfählen blätterten? Sie hatte es satt! Sie mochte nicht mehr. Wütend gab sie Gas und kurvte weiter die KüstenstraÃe entlang. In Procchio rollte sie die Via del Mare hinunter und sah Olmo mit zwei Speisekarten an einem der Tische vor dem Il Giramondo stehen. Sie winkte ihm zu, er winkte erfreut zurück, entweder, er hatte sie unter ihrem Helm nicht erkannt, oder er konnte sich schon gar nicht mehr an sie erinnern. Die Welt war ein trauriger Ort, wer hatte das noch mal gesagt?
Am Strand konnte sie sich tatsächlich überwinden, den Roller abzustellen, ihre Badetasche aus dem Sitz zu holen, das Handtuch auf dem Sand auszubreiten und sich daraufzusetzen. Bewegungslos saà sie so im Schneidersitz, fünf Minuten, zehn Minuten. Die Sonne knallte auf ihren Kopf, ins Wasser mochte sie nicht, sie konnte sich noch nicht einmal aufraffen, ihren Bikini anzuziehen. Sie streckte ihre braunen Beine, packte alles wieder ein und fuhr langsam den Weg hinauf. Ein kurzer Sprung hinein zu Holger? Lieber nicht, Holgers kleiner Salon lief gut, sehr gut, er hatte bestimmt eine Kundin auf dem alten Friseurstuhl
sitzen, da störte sie nur. Familien kamen ihr entgegen, kleine Kinder in Karren oder an der Hand der Eltern. So habe ich mir das nicht vorgestellt, schienen die Blicke der Väter zu sagen, die Strandstühle, Sonnenschirme und Kühltaschen schleppten und deren Blicke Magdalenas Figur für einen Moment streiften. Wie gierig ihr seid, wie hechelnde Pinscher, dachte Magdalena angewidert, immer auf der Suche, euch weiter zu vermehren, dabei stolpern die Früchte eurer Geilheit schon vor euch her.
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Sie kaufte sich eine groÃe Flasche Wasser und setzte sich wieder in Bewegung, nur fahren, unterwegs sein, nicht denken müssen! Vor dem POLO standen drei Autos und gaben Auskunft wie eine Anwesenheitsliste: Nina, Evelina, Mikki und vermutlich auch Matteo, alle waren zu Hause. Wahrscheinlich hatten sie gestern Nacht trotz des Unwetters im Club 64 gearbeitet und verschliefen jetzt die Mittagshitze. Magdalena parkte den Roller. Warum? Das Wort war wie ein Labyrinth in ihrem Kopf, in dem sie sich immer wieder verlief. Was tat sie noch hier? Unschlüssig stieg sie die Stufen hinauf. Sie würde ihn nie finden. Wie denn auch? Einen Paolo aus Livorno, der vor einunddreiÃig Jahren einen Sommer auf der Insel verbracht hatte. Aussichtslos. Hirnrissig.
Die Hängematte lag im Schatten, sie war vom nächtlichen Regen noch feucht. Magdalena lieà ihre Tasche und die Wasserflasche hineinfallen und inspizierte das Gelände. Sie kontrollierte die Blätter der Zitronenbäume, macht einige Stichproben, keine Tierchen, keine Spinnmilben, kein klebriger Belag, die Bäume waren in Ordnung. Dein blödes Gift hat es geschafft, Matteo. Sie ging auf die Mauer zu. Hier musst du aber noch mal
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