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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Fünfzehnjährige? Unglaublich. Massimo? Hast du von dem gehört? Und dem? Und weißt du, wer …? No! Si! Ich sag es dir doch: Renato. Si! Der, der letztes Jahr …, si!
    Magdalena spürte immer wieder kleine Stiche in der Brust, die beiden waren so unbefangen, sie hatten etwas miteinander erlebt, sie teilten etwas auf eine Weise, die sie nicht kannte. Auf einmal wollte sie Nina für sich allein haben, sich nicht von ihr helfen lassen, sondern ihre Geheimnisse erfahren, als gute Freundin an ihrem Leben teilnehmen. Sie hatte ihr Leben immer für interessant genug gehalten, sie liebte Wiederholungen und Rituale, den immer gleichen Weg zur Arbeit, sie liebte sogar Weihnachten. Doch nun, während sie Nina und Evelina beobachtete, kam Magdalena ihre eigene Vergangenheit völlig belanglos vor. Sie sah sich als kleines Püppchen, das in einem Spielzeugdorf hin und her trippelte, es ging in eine Schwimmhalle und sauste wieder nach Hause, es eilte in seinen Italienischkurs, sauste wieder nach Hause, es stieg morgens direkt vor seiner Tür in einen Spielzeugbus und fuhr nachmittags wieder nach Hause. Einsam stand es ab und an mit einem Großvaterpüppchen an seiner Seite in einem Garten herum. Magdalena
atmete laut aus, es hörte sich an wie ein Ächzen. Was wäre, wenn sie in Italien geboren worden wäre, hätte sie dann auch so ein Leben geführt wie Nina? Wollte sie so ein Leben führen? Noch vor einer Woche hätte sie vehement abgelehnt. Doch nun war sie sich nicht mehr so sicher. Ninas Leben - ohne das, was sie vergessen wollte.
    Â 
    Zum Essen hatte Nina einen Skipper eingeladen, der sein Segelboot in den Sommermonaten vercharterte und komische Geschichten zu erzählen hatte. Das risotto war cremig und schmeckte köstlich nach Spargel und Parmesan, das Gelächter schallte bis unter die Pinienzweige und in den dunkelblauen Nachthimmel, denn sie hatten auch heute an den zwei Tischen auf der Tanzfläche Platz genommen.
    Â»Viel schöner hier unten als auf der Terrasse«, sagte Nina, während sie Weißwein und Wasser nachschenkte, und alle stimmten ihr zu, spielten mit vereinzelten Weißbrotstücken und schwiegen dann gesättigt. Nur eine Grille war zu hören. Magdalena schloss die Augen. Diesen Augenblick in den Erinnerungen festhalten, gleich wäre er vorbei, war das hier jetzt Glück? Endlich mal das ganze Glück, nicht nur ein pizzaeckengroßer Teil davon. Mehr als die Hälfte. Alles? Denk nicht so viel, tadelte sie sich, und schon war der Moment vergangen. Sie hörte, wie jemand die Treppe von der Straße heraufkam. Alle lauschten den Schritten, gleich zwei Personen, dicht hintereinander.
    Â»Wer ist das denn jetzt?«, flüsterte Evelina mit ihrer Bühnenstimme, anscheinend war sie es noch nicht gewohnt, dass zu jeder Tageszeit Besuch für Nina vorbeikam. Tap , tap , etwas klickte an die Stufen.
    Â»Oh Dio!« , sagte Nina und sprang auf, alle tuschelten durcheinander: Sindaco, Sindaco, verstand Magdalena, das war der
wichtige Typ aus der comune , dem Rathaus. Ein Mann mit hellgrauem, sehr kurzem Haar, das ihm wie eine dichte, eng anliegende Kappe auf dem Kopf saß, schwebte langsam zwischen den Bäumen empor, als ob er von einer Rolltreppe nach oben gefahren würde. Hinter ihm erschien ein anderer Mann, jünger.
    Â»Was für eine Ehre!«, rief Nina mit ihrer wärmsten Stimme und eilte dem Grauhaarigen entgegen, auch Matteo erhob sich. »Cavolo« , brummte er, »was hat sie nun wieder mit dem angestellt?« Der Mann ging sehr aufrecht, er hatte eine gebräunte, gesund aussehende Gesichtsfarbe und trug eine große Sonnenbrille, die fast sein ganzes Gesicht verdeckte. Der jüngere Mann hielt einen Stock in der Hand und ließ sich von ihm führen, oder war er es, der den Älteren führte? Moment, nein, der Ältere, der Mann, der Nina mit Handschlag begrüßte, war blind, stellte Magdalena bei genauerem Hinsehen fest. Aber jetzt, auf der ebenen Tanzfläche, hätte man das kaum bemerkt, so sicher nahm er an der Tafel Platz, während der andere sich noch umschaute und nicht wusste, wohin mit sich und dem weißen Stock.
    Â»Allora« , begann Nina auf Italienisch, »Sie wollen sich mal bei uns umschauen? Da kommen Sie gerade richtig, es ist noch risotto da, risotto agli asparagi … Evelina!« Evelina guckte erstaunt aus ihren Pandabäraugen, sprang dann aber auf,

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