Magdalenas Garten
Wandverkleidung über den Boden das Tischbein
hinaufgewandert, bereit, sich in den Schokoladensumpf zu stürzen. Am unteren Rand des Deckels wimmelte es schwarz. Magdalena packte das Glas, schleuderte es durch die Türöffnung auf die Wiese und versuchte, die Ameisen mit dem Handfeger hinauszubefördern, ohne sie dabei zu töten. Ein paar blieben zusammengerollt auf der Strecke, der Rest marschierte weiterhin unbeirrt in den Wohnwagen ein. O, verdammt! Magdalena schmiss auch den Handfeger auf die Wiese, griff nach dem Handy und setzte sich auf die Stufen. Die Nachricht kam von Nina, die auch aus der Ferne zu spüren schien, wann es ihr schlecht ging:
»Habe Termin bei Holger für Dich ausgemacht, treffen uns um 12.00 Uhr vor der Bar La Pinta .«
»Oh! Si!âolger!« Sogar Evelina war begeistert gewesen. Er war ja so begabt, so lustig, so schwul und gewissenhaft deutsch, er würde Magdalena bestimmt eine richtige Frisur verpassen können.
Noch zwei Stunden.
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Mit dem Roller holperte Magdalena dreihundert Meter über den steinigen Feldweg durch die Ãdnis, bog an der geteerten kleinen StraÃe nach rechts und hielt sich an der HauptstraÃe links, Richtung La Pila. Sie brauchte keine Karte, ihr Orientierungssinn war ausgezeichnet, und sie liebte es, einfach draufloszufahren, in die kleinen Ortschaften, in denen sie mit Nina vor zwei Wochen die Farbkopien aufgehängt hatte.
Auf nach San Piero, dort kann ich einen Cappuccino trinken, und ein cornetto mit Marmeladenfüllung wird es um diese Uhrzeit dort oben auch noch geben. Das Städtchen lag nordwestlich von Marina di Campo im Inselinneren, in 226 Meter Höhe, eine Zahl, die sie sich beim Betrachten der Karte gemerkt hatte und die seitdem in ihrem Gehirn wie auf einem Computerstick
gespeichert war. Sie fuhr an Zypressenreihen vorbei, unter den ausladenden Kronen von Schirmpinien entlang und spielte »Höhenlinien sehen«. Während ihrer Ausbildung hatte sie damit angefangen, es war nicht leicht, aber nun, da sie es konnte, genoss sie das Gefühl für das Gelände, die Formen und die Steigungen. Eine Wandergruppe kam ihr mit Schnürschuhen und Rucksäcken entgegen und versperrte die Abzweigung nach San Piero. Magdalena fuhr vorsichtig an ihnen vorbei. Auch SantâIlario, auf 193 Höhenmetern, war ein hübsches Ãrtchen, auch dort gab es eine Bar, in der man einen guten Cappuccino bekam, sie war mit Nina dort gewesen.
Nach dem Frühstück fuhr sie die StraÃe ein Stück zurück und noch höher hinauf bis zu den Ausläufern des Monte Perone, dann wieder durch Pinien- und Kastanienwälder an Poggio vorbei und hinunter nach Marciana Marina. Napoleon hatte die Esskastaniensetzlinge von seiner Heimatinsel Korsika herbringen lassen, so stand es in jedem Reiseführer. Unter den Bäumen war es kühl, Magdalena fröstelte und beeilte sich, wieder in die Sonne zu kommen. Ohne Gas zu geben lieà sie den Roller laufen, und nachdem sie sich für die KüstenstraÃe nach Procchio richtig viel Zeit gelassen hatte, kam sie pünktlich zu dem Treffpunkt vor der Bar La Pinta an.
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»Wie lebt es sich denn so im Wohnwagen?«
»Gut!«
»Gut?« Nina sah sie an wie ein kleines Kind, das sie bei einer entzückend dummen Lüge erwischt hatte.
»Da vorne ist es gleich, er hat seinen Salon ganz nahe bei deiner alten Heimat«, sagte sie und deutete die Via del Mare hinunter, an deren Ende das Hotel Acquarius lag. »Meine alte Heimat ist doch oben bei euch!«, antwortete Magdalena. »Wie läuft es denn, macht ihr nun bald auf?«
»Frag lieber nicht, Evelina dreht schon durch, und ich überlege ernsthaft, wen wir bestechen könnten, um nicht die gesetzlichen Auflagen erfüllen zu müssen.«
Sie bogen in einen engen Weg zwischen den Häusern ein und erreichten einen von Hauswänden umstellten Vorplatz. Der Eingang zu Holgers Laden lag in einem runden Sonnenfleck, weiÃe Gazevorhänge wischten träge über den Boden, als sie durch die offen stehende Glastür den einzigen Raum betraten. Ein groÃes Dachfenster nahm die ganze Decke ein, sie sahen den blauen Himmel und zwei wacklige Trockenhauben, die sich dekorativ von den fensterlosen Wänden zu ihnen hinabbeugten. Ein noch älterer Friseurstuhl stand mitten im Raum. Niemand war zu sehen, nur ein groÃer Spiegel mit verschnörkelten Goldrahmen lehnte an der Wand, ihm
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